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Wie een Westler midde Forint rumschmeisse...

■ Ab 1. Juli Interschobbing für alle / In 18 Tagen verschwindet unsere Spaßmark Gedanken eines Ostlers zur anstehenden Währungsunion

Nu isses so weit. Nu habsch mein Umtauschbefehl weisungsgemäß ausgefüllt und zurückgegäben. Das Wirtschaftswunder beginnt ja hier, wie das alde offgehört had: mit Schlange stehen. Aber im Gegensatz zu früher weeß diesmal ooch der letzte in dor Reihe, was er griecht, wenn er dran ist.

18 Tage noch, und die nach unserem Politbüro zweet schwächsde Errungenschaft in virzich Jahren, unsre Spaßmark, verschwindet. En Glüg, daß dor Kohl aus Bonn mehr von Geld versteht als dor Pöhl aus Frankfurt im Main und den Schmelzofen ordentlisch anheizd. So grische mer unsere Buntmetallwährung noch vorm Jahresurlaub versilbert. Endlich kömm mer im Süden in die Hosendasche greifen, wenn der Ausländer „Dauschen, dauschen“ flüstert und brauchen nie mehr wütend unsern Ostmarkschein in der Hand zergnülln. Ich und Helfriede, meine Frau, werden aber nich nach Machorka oder wie das heßt fahren, sondern nach Ungarn. Eenmal müsse mer das machen, was mer uns früher immer gewünscht ham: Wie en Westler midde Forints rumschmeisse und so dun, als wenn mer zu Hause geene Probleme hädden.

Helfriede machdsch aber noch mehr Sorchen. Sie fängt immer an zu ziddern bei den Gedanken, in der Gofhalle en Malfa Kraftma Brot mit richtschem Westgeld zu bezahlen. Sie hat Angst, an der Gasse für verrickt erklärt zu wärden. Wenn Tante Herta ausm Schwarzwald im Päckchen Aldi-Kaffee mal en Fufzschmarkschein versteckt had, dann ham wir uns ganz schick angezogen und een Familienausflug in den nächsten Devisenladen gemacht. Das war een Ereischniss, kaum zu beschreiben.

Aber ab Juli, ich weeß nich. Da bassiert das Ereischniss ja jeden Tag. Da isses ja gar kens mehr. Aber dafür hamer dann, was mer immer wollden: Interschobbing für alle. Als letztes muß mer alle een neues Bortmanee gofen, weil unsre Karl-Marx -Taschensärche für das Westgeld zu glen sinn. Früher, da wars sogar von Vorteil, wenn der rischtche Blaue en Sdück aus der Briefdasche gugte. Das brachde Ansehen stad Anstehen. En Geilriem fürn Drabbi war ni mehr so unerreichbar wie unser Erich.

Aber jetzt? Was 40 Jahre Sozialismus ni geschafft haben, macht die Deutsche Bank an einem Dag: Alle sind gleich. Ham de Gommunischten doch noch Recht gegriecht mid ihrer Behaubdung, der wahre Kurs is eens zu eens. Nu lachen se sich ins Arbeiderfäustchen und brauchen nicht mehr mit Goffern voller Volkseichendum in die Schweiz jetten, um sich beim Glassenfeind 'ne goldene Nase zu holn.

In meiner Brigade, da bereiden wir uns schon, seitdem der Helmut die Kohlmark versprochen had, auf den 1. Juli vor. „Saufen für die Reeperbahn“ nenn mer das. Da fahren mer nämlich im Juli zusammen hin. Wir drinken jeden Dag drei Gästen DDR-Bier und stellen sie bei uns in die Lagerhalle. Bis zum Dodesdag der Ostmark ham mer genau 300 Kästen ausgejust. Nachm 1. Juli lofmer dann logger in de Gofhalle und gassieren 2.250 Mark Pfandgeld. Westmark nadürlisch. Da staunder, he? Ja, ja von uns Ostlern lernen, heeßt überleben lernen. Prost.

Torsten Preuß

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