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Bayern, das Volksbegehren und das Müllkonzept

Bayerisches Volksbegehren über neues Müllgesetz, initiiert von der bayernweiten Bürgerinitiative „Das bessere Müllgesetz“ startet heute / CSU und SPD werben dagegen mit ungeheurem Aufwand für ihr neues Müllgesetz / „Nicht in die Liste eintragen!“ agitiert die CSU / Teile der SPD und CSU-Klientel scheren jedoch aus  ■  Aus München Luitgard Koch

Jetzt ist es soweit. Seit heute morgen liegen in allen bayerischen Städten und Gemeinden die Listen für das Volksbegehren der bayernweiten Bürgerinitiative „Das bessere Müllkonzept“ aus. Damit soll in Bayern die Wende in der Müllpolitik eingeläutet werden. „Das ist bestimmt das populärste Volksbegehren, denn jedes Kind weiß was Müll ist.“ Da ist sich Brigitte Parzich aus dem Vorstand der BI ganz sicher. Immerhin müssen innerhalb von zwei Wochen 850.000 bayerische wahlberechtigte BürgerInnen unterschreiben, damit der Gesetzentwurf der BI eine Chance bekommt. Erst dann nämlich muß der Ministerpräsident dem Landtag das Volksbegehren vorlegen und das Parlament entscheidet innerhalb von drei Monaten über den Entwurf. Lehnt der Landtag diesen Gesetzentwurf ab, kommt es zum Volksentscheid.

Große Müllkoalition

Doch dieser langwierige Weg ist freilich nicht das einzige Problem, mit dem die inzwischen fast ebenso starke Bürgerinitiative wie vor wenigen Jahren die Anti-WAA -Bewegung, konfrontiert wird. In seltener Einheit treten nämlich SPD und CSU mit einem schnell zusammengezimmerten neuen Müllgesetz, das bereits Ende Mai verabschiedet wurde, gegen die BI und ihr Volksbegehren an. Daß dies neue angeblich „fortschrittliche“ Gesetzeswerk erst auf Druck der BI zustande kam, ist weniger populär bei CSU- und SPD -Spitzen. Da der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) das Volksbegehren für zulässig erklärte und damit das Innenministerium mit seiner Ablehnung blamierte, wurde auch die CSU-Mehrheit im Landtag plötzlich aktiv. Nicht zuletzt die Schlappe bei den Kommunalwahlen - rund acht Prozent verlor die CSU - und die kommenden Landtagswahlen im Herbst, verursachten bei den Schwarzen einen hektischen Aktivitätsschub. Aufgrund dieser Situation waren die CSUler sogar bereit, mit den VertreterInnen der Bürgerinitiative zu reden und mit SPD und Grünen scheinbar gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Doch während Grüne und BI ziemlich bald das Handtuch schmissen und den Entwurf als „Mogelpackung“ ablehnten, beschritt die BPD zusammen mit der CSU den „parlamentarischen Weg“. Den Verdacht, daß die Sozis sich nur deshalb auf diesen Kompromiß eingelassen hatten, wie ihr Frankenboß, Karlheinz Hiersemann, blauäugig auf eine große Koalition schielt und sogar mit einem Ministerposten liebäugelt, hegten nicht wenige Beobachter im Landtag. Doch diese Vermutung wies der SPD-Spitzenkandidat immer weit von sich. Trotzdem hatte die SPD ganz schön zu tun, um ihrer Basis klarzumachen, daß das Volksbegehren überflüssig sei. Auf dem SPD-Parteitag in Bayreuth mußten die SPD-Delegierten dem Volksbegehren abschwören. Doch auch damit sind die Reihen nicht fest geschlossen. „Natürlich geh‘ ich hin und unterschreib'“, verkündet nicht nur ein einfaches SPD -Parteimitglied aus dem Landkreis Pfaffenhofen. Auch die SPD -regierte Stadt München unterstützt das Volksbegehren. Nicht zuletzt aufgrund der Initiative der grünen Bürgermeisterin, Sabina Csampai und des grünen Kommunalreferenten, Georg Welsch kam es zum städtischen Aufruf zum Volksbegehren. Der zweite Bürgermeister, Christian Ude (SPD), hat sogar ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das diesen Aufruf prüft. Ergebnis: Eine Neutralitätspflicht der Gemeinde bei der Durchführung des Volksbegehrens ergibt sich nicht durch das Landeswahlgesetz. Verzwickt ist die Lage bei den SPDlern auch dadurch, daß viele Mitglieder auch beim Bund Naturschutz aktiv sind. Der „Bund“ jedoch steht voll hinter dem Volksbegehren. Aber auch die CSU hat ihre Basis nicht unter Kontrolle. Noch Ende Mai veranstaltete ein Mitglied der CSU-Frauenunion im schwäbischen Buchloe ein „Müllfestival“ mit ortsansässigen Vereinen, um für das Volksbegehren zu werben.

Die Basis außer Kontrolle

Und auch die Katholische Landjugend - und das wird vor allem den Chef der CSU-Landtagsfraktion und ehemaligen Vorsitzenden eben jener Landjugend, Alois Glück, gar nicht begeistern - hat an alle bayerischen Bürgermeister appelliert „die ländliche Bevölkerung bei dem Volksbegehren nicht zu vernachlässigen und möglichst viele Einschreibstellen mit großzügigen Öffnungszeiten einzurichten“. Selbst das erzkonservative Bistum Passau paktiert mit der Bürgerinitiative.

Um dem beizukommen hat die CSU-Fraktion im Landtag eine bayernweite Flugblattaktion in den örtlichen Zeitungen gestartet. „Der Müll bleibt im Haus, die Bürger müssen ihn in Säcke lagern, wilde Müllkippen drohen.“ Mit diesem auf Umweltpapier gedruckten Schreckensszenario als Folge des BI -Müllkonzepts versucht nicht nur die Schwandorfer Landtagskandidation, Marianne Deml, sich bei den Oberpfälzern beliebt zu machen. In Landsberg ist es der CSU -Staatssekretär, Thomas Goppel, der mit demselben Flugblatt fordert: „Nicht in die Liste eintragen!“ Denn: „Das neue Bayerische Abfallwirtschaftsgesetz ist besser, wirksamer und ehrlicher als das Konzept der Bürgeraktion.“ Aber gerade beim brisanten Thema „Müllverbrennung“ sehen BI und Grüne nur halbherzige Einschränkungen der staatlichen Subventionierung beim neuen Gesetz. „Insgesamt sind zuviele Kann-Bestimmungen in dem Gesetz“, kritisiert Uta Philipp aus dem Vorstand der BI. Vor allem befürchtet sie, daß die Bestimmung, wonach sich Städte und Landkreise zur Müllentsorgung auch an privaten Gesellschaften beteiligen könnten, den Einstieg von privaten Energiekonzernen ins „Müllverbrennungsgeschäft“ fördert. In Nord-Rhein-Westfalen ist das bereits der Fall. „Diese Konzerne sitzen schon in den Startlöchern und Geld haben sie wie Heu“, weiß Erika Barwig, eine der Sprecherinnen der BI. Geld wie Heu hat die Bürgeraktion dagegen nicht. Doch trotzdem hofft sie finanzielle über die Runden zu kommen. Das ist nicht ganz einfach. Denn sogar die Eintragungslisten für das Volksbegehren mußte die BI selber drucken lassen. „Das Volksbegehren wird dem Volk nicht einfach gemacht“, weiß Brigitte Parzich. „Aber auch, wenn wir's nicht schaffen, werden wir trotzdem Störenfriede bleiben“, verspricht die resolute Geschäftsfrau. In zwei Wochen jedenfalls werden die „Störenfriede“ in der weiß-blauen Landeshauptstadt erst einmal kräftig demonstrieren.

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