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Zweifelhafte Einigkeit über Drogenpolitik

Beim Thema Methadon-Behandlung bremsen Bayern und Baden-Württemberg erheblich / Bund setzt bei Rauschgiftbekämpfung auf repressive Folgen  ■  Von Axel Kintzinger

Bonn/Berlin (taz) - Zumindest in der Situationsanalyse kommen sie auf einen gemeinsamen Nenner. Ob CDU -Bundesinnenminister, ob SPD-Landessozialminister oder ob Drogenfachmann bei der Deutschen Aids-Hilfe: Die Verschärfung der Situation auf dem Rauschgiftmarkt ist unumstritten, die Notwendigkeit internationalen Agierens gegen die Drogenkartelle wird von niemandem in Frage gestellt. Doch danach hören, das zeigte sich am Mittwoch rund um die Nationale Drogenkonferenz in Bonn, die Gemeinsamkeiten auf. Die Ausweitung von Polizeiaufgaben und

-befugnissen, etwa für den Einsatz von verdeckten Ermittlern, weckt rechtsstaatliche Skepsis. Die entgegen vielen Ratschlägen fortgeführte Kriminalisierung von Drogenkonsumenten ruft Sozialarbeiter und Drogenberater auf den Plan. Und die Weigerung, staatliche Umstiegsmodelle auf Ersatzdrogen wie Methadon in größerem Umfang anzubieten, entzweit die zuständigen Minister von Bundesländern. So konnte der Konflikt etwa zwischen Hamburg, Nordrhein -Westfalen und Bremen einerseits und den Ländern Bayern und Baden-Württemberg andererseits am Mittwoch abend bei der Vorstellung des Rauschgiftbekämpfungsplans nur kurzzeitig kaschiert werden. Nordrhein-Westfalens Sozial- und Gesundheitsminister Hermann Heinemann (SPD) nutzte die Situation, um nachdrücklich die Einführung von Methadon -Programmen zu fordern. Auf die Frage, warum im flächendeckend mit solchen Substitutions-Angeboten versorgten Holland vergleichsweise sehr viel weniger Drogenabhängige sterben als in der Bundesrepublik, hatte die versammelte Ministerriege zuvor mit lang anhaltendem Schweigen reagiert. Heinemann mochte seine Enttäuschung über den Mißerfolg der Länder, die für eine Substitution eintreten, nicht verhehlen: „Selbst der Bund hatte sich schon ein bißchen bewegt“, klagte er später gegenüber der taz, „aber Bayern und Baden-Württemberg blocken kategorisch ab.“ Dabei wartete die Stuttgarter Sozialministerin Barbara Schäfer (CDU) mit einer verblüffenden Erklärung für die niedrige Todesrate in den Niederlanden auf: „In Holland sind die sogenannten weichen Drogen wie Haschisch oder Marihuana erlaubt, Drogenkonsumenten brauchen also nicht auf Heroin oder Kokain auszuweichen“, gab die strikte Gegnerin einer Legalisierung dieser Rauschgifte zu Protokoll.

Obwohl auch Heinemann vor einer flächendeckenden Methadon -Vergabe zurückschreckt, möchte er die Substitution auf alle Fälle für die sogenannten Langzeit-Junkies einführen. Nur so sei der „Drehtüreffekt“, der stete Wechsel von Inhaftierung und Beschaffungskriminalität, zu durchbrechen. Bayerns Justizministerin Mathilde Berghofer-Weichner (CSU) bestritt diesen Zusammenhang Sie verwies auf eine Studie in Nürnberg, wonach ein Drittel der dortigen Drogentoten nie mit Polizei oder Justiz in Berührung gekommen seien - und damit auch für Substitutionsprogramme nicht zu fassen seien.

Berghofer-Weichner setzt in erste Linie auf die repressiven Elemente des Rauschgiftbekämpfungsplanes. „Die Ächtung der Droge“ will sie vor allem über Kriminalisierung erreichen, sie setzt auf Abschreckung und will auch bei Klein-Dealern „nicht Hilfe vor Strafe“ ergehen lassen. Mit spürbarem Engagement favorisiert die CSU-Ministerin den Einsatz von verdeckten Ermittlern „auch im Vorfeld, ehe Verdacht auf eine Tat besteht“.

Allerdings verweigern Drogenberater und -verbände die Gefolgschaft bei der von ihnen als „Aufrüstung im Drogenkrieg“ bezeichneten Strategie. Allerdings konnten Organisationen wie die Deutsche Aids-Hilfe, der Bundesverband für akzeptierte Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) oder auch die Selbsthilfeorganisation JES (Junkies, Ex-User und Substituierte) ihre Kritik und Anregungen nicht in der Nationalen Drogenkonferenz anbringen - sie mußten draußen bleiben. Dafür waren Sport- und Berufsverbände, Banken und Gewerkschaften sowie die Bischofskonferenz vertreten.

Welche haushalterischen Konsequenzen das jetzt verabschiedete 140-Seiten-Werk haben wird, kann derzeit niemand der Bundes- und Landesminister sagen. Heinemann und seine Widersacherin Berghofer-Weichner wollen jedoch einen möglichst großen Teil der Kosten vom Bund bezahlen lassen. Auch weiß keiner der Beteiligten so genau, ob das Werk die Zustimmung der Bonner Koalition findet. Liberale FDP -Politiker wie Burkhard Hirsch stören sich erheblich an der Erweiterung von Polizeibefugnissen, die im Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan wie nebenbei mit eingeführt werden sollen. Unterstützung findet Hirsch dafür bei den Sozialdemokraten. Deren stellvertretende Parteivorsitzende Herta Däubler-Gmelin lehnt das Werk ab - obwohl die SPD -regierten Länder es, wenn auch zähneknirschend, seit Mittwoch mittragen.

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