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Pink Floyd rettet Venedig vor der Expo

Venedig zog in letzter Minute die Expo-Bewerbung zurück / Das ruinöse Konzert im Vorjahr hat zum Meinungsumschwung beigetragen / Massenprotestbewegung in ganz Italien  ■  Aus Venedig Werner Raith

Daß „wir da gewonnen haben“, ist für Ermete Realacci, den Vorsitzenden der „Liga für Umweltschutz“, „schon fast ein Wunder„; Ex-Bürgermeister Antonio Casellati, einer der Begründer des „No“ zur Expo in Venedig, „kann es noch kaum fassen“, und selbst der skeptische Philosoph Massimo Cacciari sieht nun „endlich die Vernunft doch hie und da wieder hervorlugen“: Nach der Entscheidung des Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, die Kandidatur der Lagunenstadt für die Weltausstellung zurückzuziehen, hat nicht nur Venedig die gesamte Nacht hindurch gefeiert: „Dieser Sieg ist mehr wert als die ganze Weltmeisterschaft“, textete ein Spruchband auf der Piazza San Marco, und das will in diesen Tagen etwas heißen.

Nicht alle freilich feiern - der sozialistische Außenminister Gianni de Michelis aus Venedig, der Hauptmotor der Veranstaltung, grollt, der Rückzug sei „keine Niederlage, sondern eine versäumte Chance“. Die VenezianerInnen indes sehen sich nun zumindest vor einem der drohenden Übel - neben Hochwasser, Absinken des Bodens und Wasserverschmutzung - gerettet: Mehr als 50.000 BesucherInnen trampeln bereits heute Tag für Tag über die nicht einmal einen Quadratkilometer großen „interessanten“ Zonen der Inseln, mehr als 300.000 erwartete man bei der Expo - täglich. Den Ausschlag für den Volksprotest gaben indes weniger die Berechnungen der Experten als vielmehr zwei hautnahe Erfahrungen: der Politgipfel der sieben größten Industriestaaten vor drei Jahren und ein Konzert von Pink Floyd im Vorjahr: hatten während der Staatschef-Show herumknatternde Hubschrauber und durchschippernde Geheimdienstler große Teile des Kunstschatzes in Gefahr gebracht, so ließen die Megawattverstärker der Musiker gleich ganze Reliefs von den Palazzi und Kirchen herunterplatschen; und beim einen wie anderen Ereignis konnten die ItalienerInnen auf unzähligen Fotos besehen, wie es nach solchen Großveranstaltungen aussehen würde.

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