: Widerstand gegen Rundumschlag
■ „Aktion Besen“ trifft nur noch 192 Magistrats-MitarbeiterInnen / Ein Interview mit der „Initiativgruppe Rotes Rathaus“
Ost-Berlin. Nach den massiven Protesten von Kulturschaffenden am vergangenen Donnerstag entschärfte gestern der Magistrat auf einer Sondersitzung die „Aktion Besen“. Von den bisher rund 2.000 betroffenen Mitarbeitern aus den Verwaltungen sollen nur noch 192 kündigen, um sich auf die dann ausgeschriebenen Stellen neu zu bewerben. Wer aus der Leitungsebene dann auf welchen Posten gesetzt wird, will dann nicht mehr der Magistrat alleine entscheiden: Ein Beirat soll die Arbeit einer Personalkommission „begleiten“. Innenstadtrat Thomas Krüger bekräftigte gestern, daß in führenden Verwaltungspositionen kein Platz mehr für Leute sein dürfe, „die im alten Machtapparat politische Verantwortung für Unrecht und Machtmißbrauch betrieben haben“.
Die von ihm groß angekündigte „Aktion Besen“ ist jedoch fürs erste gescheitert. Dem waren zähe Verhandlungen zwischen der Initiativgruppe „Rotes Rathaus“ und dem Magistrat vorangegangen. Die taz sprach mit dem Mitglied des Sprecherrates der Initiative, Jürgen Lesching.
taz: Wer sind die Mitglieder der „Initiative Rotes Rathaus“?
Jochen Lesching: Ihr gehören Vertreter von allen von der sogenannten „Aktion Besen“ betroffenen Einrichtungen an. Das erstreckt sich von der Verwaltung des Magistrats über die Räte der Stadtbezirke und deren nachgeordneten Einrichtungen bis hin zu den kulturellen Einrichtungen der Stadt.
Es waren vor allem Theaterschaffende, die diese Protestaktion initiierten?
Ja, besonders hervorzuheben ist dabei die Initiativgruppe „4. November“, die damals die legendäre Kundgebung auf dem Alexanderplatz organisiert hatte.
Wandte sich der Protest grundsätzlich gegen eine Umstrukturierung innerhalb Magistratsbetriebs und seiner Verwaltung?
Wir sind nicht gegen die Ablösung inkompetenter Leiter, sondern gegen einen Rundumschlag, der mehr als 50 Prozent der Beschäftigten der betroffenen Einrichtungen den Arbeitsplatz kosten würde. Außerdem ist es nicht annehmbar, daß beispielsweise eine international so anerkannte Kapazität wie der Leiter der Archenholdsternwarte, Professor Dr. Dieter B. Herrmann, entlassen werden soll, damit er sich dann um den Posten, um den er sich jahrelang verdient gemacht hat, neu bewerben soll. Ähnlich ist es mit den Theaterintendanten, mit denen man ebenso verfahren wollte. Das grenzt ja an einen Skandal.
Anfangs schien der Magistrat nicht sehr geprächswillig zu sein?
Nachdem wir das Rathaus besetzt hatten, trat im Plenarsaal die Stadträtin für Kultur auf den Plan, um den Anwesenden klar zu machen, daß es sich doch nur um ein Mißverständnis handele. Doch damit ließen sich die Kollegen nicht abspeisen. Danach versuchte der Innenstadtrat Krüger dasselbe - nur eben noch eine Spur arroganter. Und als er dann auch nicht mehr weiterkam, da wollte uns sein aus dem Westen importierter Stellvertreter klar machen, was Demokratie ist.
Bürgermeister Schwierzina hat sich revidiert - doch es fiel ihm sichtlich schwer.
Ja, doch es muß doch machbar sein, daß ein sich in guter Absicht irrender Politiker auch den Mut findet, sich davon zu distanzieren.
Olaf Kampmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen