: In die Ecke, Besen, Besen...
■ Berliner Magistrat mußte Entlassungen zurücknehmen / Innenstadtrat Krügers „Aktion Besen“ gescheitert
Berlin (taz) - Das hatte sich Berlins Innenstadtrat Thomas Krüger so gedacht: Da die personelle Erneuerung des Magistrats und seiner nachgeordneten Organe schnellstens über die Bühne gebracht werden mußte, wählte er den scheinbar unkompliziertesten Weg. Von einer gewissen Gehaltsstufe an aufwärts hatten sich sämtliche Mitarbeiter per 30.Juni als entlassen zu betrachten. Die Stellen würden neu ausgeschrieben werden, die ehemaligen Inhaber dürften sich gleichberechtigt mit anderen um ihre ehemaligen Posten bewerben. Krüger, früher unter anderem auch als Vortragskünstler tätig gewesen, hatte für diesen Handstreich auch gleich einen passenden Namen parat: „Aktion Besen“. Doch der Sturm der Empörung, der nach Ruchbarwerden der Aktion losbrach, lies von dem Besen nicht viel mehr als einen mickrigen Stiel übrig. Zusammen mit der Gewerkschaft Kunst, Kultur und Medien organisierten die Initiativgruppe „4. November“, Organisator der legendären Demonstration auf dem Alexanderplatz, eine „Gruppe Rotes Rathaus“ am Donnerstag früh eine Protestdemonstration von zirka 4.000 TeilnehmerInnen. Die Protestierenden besetzten gegen zehn Uhr den Plenarsaal des Rathauses und machten lautstark ihrem Unmut Luft. Schließlich wurden mit der fragwürdigen Magistratsentscheidung nicht nur geltendes Arbeitsrecht verletzt - auch wurden damit solche Leute wie die Intendanten der Berliner Theater oder der bekannte Astronom und Leiter der Archenhold-Sternwarte Professor Dr. Dieter B. Herrmann auf eine Stufe mit stalinistischen Bürohengsten gesetzt.
Dabei betonten die Anwesenden in ihrer am Nachmittag verabschiedeten Protesterklärung, daß sie durchaus dafür seien, inkompetente Leiter und Angestellte nicht weiter zu beschäftigen - verwahrten sich gegen „einen Rundumschlag gegen mehr als 50 Prozent aller Beschäftigten“ der städtischen Angestellten. Man forderte den „Magistrat ultimativ auf, die genannten Maßnahmen ohne Einschränkungen“ aufzuheben.
Zeigte sich der Magistrat unter Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) anfangs nur zu kleinen Zugeständnissen bereit, so ließ wohl die Bereitschaft der immer noch mehr als 2.000 Anwesenden, zur Not auch das rote Backsteingebäude für längere Zeit zu besetzen sowie der drohende internationale Reputationsverlust des Magistrats (ein Vertreter der Akademie der Künste hatte die Möglichkeit einer internationalen Solidaritätskampagne in Erwägung gezogen), den erst seit einigen Wochen im Amt befindlicher Schwierzina dann aber einlenken. Um 21 Uhr 55 verkündete er die „Aussetzung“ der Ausgesprochenen Kündigungen.
Olaf Kampmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen