piwik no script img

Der Sohn des Austernfischers Khamis

Wie die Söhne Allahs einmal gegen kraftstrotzende Germanen mit 1:5 untergingen: vom Flaschengeist und Säbelbeinen  ■  Von Matti Lieske

Und also sprach Scheherazade: Es begab sich vor einiger Zeit, daß Al Taliyani eine Gruppe von Freunden um sich scharte und auf einem brummenden fliegenden Teppich weit übers Meer reiste in ein Land, das Italien genannt wurde. „Al Taliyani“ hieß „der Italiener“, doch der Träger dieses Namens war ein waschechter Sohn des Morgenlandes. „Mein Vater Khamis ist Austernfischer im Arabischen Golf“, pflegte Al Taliyani zu erzählen, „eines Tages fing er eine besonders schöne Auster. Darin war ich.“ Dieser wunderbare Austernfund ereignete sich 26 Jahre vor der großen Reise, von der hier berichtet werden soll, und seither hegte der Findling eine besondere Vorliebe für Allah und für Austern mit Zitronensaft.

Als nun Al Taliyani und seine Freunde in Italien angekommen waren, begegnete ihnen eine fürchterliche Horde kraftstrotzender Gesellen, die behaupteten, aus einem Lande namens Germania zu kommen. „Sollen wir diese Hänflinge gleich in der Pfeife rauchen oder erst ein wenig mit ihnen spielen“, fragte ein drahtiger Germane namens Ruudii seine Kollegen. „Laßt uns spielen“, entschieden diese.

Und sie forderten die eingeschüchterten Söhne Allahs auf, mit ihnen um einen runden Ball zu streiten, ein Wettkampf, den die Kinder Arabiens nur wenig kannten, die Germanen um so besser.

Wichtig bei diesem Spiel war es, den Ball in einen relativ kleinen Kasten zu befördern, wobei idiotischerweise die Hände nicht verwandt werden durften, was doch zweifellos äußerst praktisch gewesen wäre. Die Germanen hatten einen unter sich, der das Spiel am allerbesten von allen beherrschte, aber der mochte nicht mitspielen und stellte sich lieber an den Rand, wo er Al Taliyani und sein Gefolge mit finsteren Blicken in Angst und Schrecken versetzte. „Oh, was sollen wir nur tun“, sprach der Sohn des Austernfischers, „wir kennen dieses Spiel kaum, und sehet nur, wie gemein diese starken Kerle gucken.“

„Am besten, wir saufen erst mal einen“, sprach einer seiner Freunde und zog eine Flasche hervor, die er im Duty-Free -Shop erworben hatte. „Auf die Prohibition“, rief er, doch als er die Flasche öffnete, siehe, da sprang ein Geist daraus hervor, der nannte sich Parreira und erklärte sich bereit, den Arabern zu helfen. Er sagte ihnen, was sie zu tun hatten, und schließlich war auch Al Taliyani alles egal. „Allah ist mit mir“, sagte er, „ob wir gewinnen oder verlieren, ich danke ihm.“

Als aber das Spiel begann, kam der Scheitan daher, ließ den Himmel schwarz werden und schüttete Wasser herab, ein Vorgang, der den Männern des Südens gänzlich unbekannt war. Völlig verängstigt versuchten sie, den Ball entweder weit weg zu schießen oder ganz lange festzuhalten, doch ein böser Dschinn, denn alle Schiri nannten, nötigte sie ständig, ihn wieder herzugeben. Und die Germanen kamen mit Macht, doch ihren beiden Vordersten, Klinsi und Ruudii, die vorher herumposaunt hatten, daß ihnen niemand gleichkäme auf der Welt, hatte ein gute Fee die Füße verhext, und sie traten das runde Lederding so kurios in der Gegend umher, als hätten sie Sandflöhe im Schuh.

Al Taliyani und seine Freunde aber waren vor Ehrfucht immer noch so bewegungslos wie Ölfontänen. Wenn einer der Ihren den Ball hatte, standen die anderen wie gebannte Karnickel und schauten zu, während vor allem zwei Germanen namens Lothar und Andi immer wieder ungestüm über sie herfielen, sie zu Boden rammten und ihnen die Kugel wegnahmen. Da nützte es auch nichts, daß der wagemutige Eissa Abdelrahman so heftig nach Andi trat, als sei es Salman Rushdie.

Die Furcht wollte nicht weichen aus den Knien der Moslembrüder, was auch kein Wunder war, denn die Germanen hatten hinten einen wüsten Riesen Guido, der allerdings nichts konnte, außer im Weg stehen, und in der Mitte einen durchtriebenen Zwerg namens Icke, der sich so schnell im Kreis drehen konnte, daß es allen schwindelte, die sich ihm auf mehr als drei Kamellängen näherten. Als ihm schließlich selber schwindlig wurde, kam ein anderer Zwerg, der Litti hieß. Der konnte zwar nicht so gut kreiseln, hatte aber Beine wie Säbel und verwendete sie auch so.

Solchermaßen war das Schicksal der tapferen Wüstensöhne bald besiegelt. Klinsi, der im Wasserguß aussah wie ein gekochtes Huhn, lief ihnen wieder weg, gab den Ball zur Mitte, wo ihn Ruudii so unglücklich an den Fuß bekam, daß er ins Tor rollte. Wenig später traf auch Klinsi, wobei er den Kopf benutzte, eine Heimtücke, mit der der wackere Mushin Faraj, den der Flaschengeist in den Kasten gestellt hatte, weil er sonst nicht zu gebrauchen war, nicht gerechnet hatte.

Da half es auch nichts, daß kurze Zeit später Ibrahim Abdulrahman zu Eissa Abdulrahman spielte, der zu Khalid Mubarak weitergab, welcher zu Abdullah Abdulrahman paßte, der Khaleel Mubarak anspielte, welcher Nasser Mubarak den Ball gab. Und wenig half es, daß der kreisende Zwerg Icke unter dem tückischen Kugelwerk, das sich nur der Scheitan persönlich ersonnen haben konnte, hinwegzwirbelte, und Khalid Mubarak den ständig Beschwörungsformeln („Ich bin die Nummer eins, ich bin die Nummer eins!“) vor sich hin murmelnden Bodo im germanischen Kasten überlistete.

Es blieb das einzige sogenannte Tor der Weitgereisten, und selbst Al Taliyani, der Sohn der Auster, der rannte und rannte, konnte daran nichts ändern. Dreimal trafen die Germanen noch, als letzter jener Ruudii, dessen Spezialität es war, die Leute so zu erschrecken, daß sie den Ball selbst in den Kasten schossen, und dann zu behaupten, er sei es gewesen.

Aber Allah war dennoch mit den Seinen, denn als sie so schön gewonnen hatten, waren die grimmen Germanen besänftigt und froh, und auch Al Taliyani und seinen Gefährten hatte das Spiel gefallen. Artig sagten sie Allah Dank, und in Ruhe und Frieden durften sie die Heimreise antreten, während die Germanen, so wollte es das Schicksal, in Italien bleiben mußten. Das hatten sie nun davon.

BRD: Illgner - Augenthaler - Berthold (46. Littbarski), Buchwald - Reuter, Häßler, Matthäus, Bein, Brehme - Völler, Klinsmann (72. Riedle)

Ver. Arabische Emirate: Faraj - Eissa Meer Abdulrahman, Yousuf Hussain Mohamed, Ghanim Mubarak, Ibrahim Meer, Abdulrahman (87. Mohamed Al Haddad) - Khamees Mubarak, Mohamed Abdullah, Thani Jumaa, Ghuloum Abbas - Khamees Al Taliyani, Ismail Mubarak (82. Hassan Mohamed Hussain)

Zuschauer: 71.167

Tore: 1:0 Völler (36.), 2:0 Klinsmann (37.), 2:1 Ismail Mubarak (46.), 3:1 Matthäus (48.), 4:1 Bein (59.), 5:1 Völler (75.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen