: HÖRSPIEL HEUTE: RB 1, 2, 20.05 -20.50
■ „Licht auf Gras“, Hör-Spiel von Fritz Mikesch
Bruno Ganz hört man gleich. Dies entspannte Ödel-Dödel des gelernten Scheiterers am Hier und Jetzt. In dem Hörspiel des Maler-Schriftstellers Fritz Mikesch, der aus Innsbruck kommt und nach Berlin (West natürlich) ging, spricht er den Stephan. Stephan ist Maler. In Berlin. Der malt den leeren Himmel über Berlin vornehmlich.
Aber es geht nicht um ihn oder irgendwen, obwohl man dem Autor, als er vierzehn war, gesagt haben soll, er sähe aus wie sein Onkel Stephan, den er nie gesehen hat, weil der früh gestorben ist. Es geht ums Malen. Mikeschs Hörspiel ist ein Malspiel mit Tönen. Da werden Stimmen durcheinandergetuscht, collagiert, geklebt, gekratzt, daß sie ein Gefühl geben sollen. Das mit Berlin zusammenhängt. Vage. Aber auch Berlin ist nur getupft, mal fällt ein Name: „Stephan nachts in Schöneberg.“ Berlin erinnert ein bißchen stark an Wenders Himmel über Berlin, det fieling eben, die Leere der Stadt, das Gerede der vielen Stimmen in dieser unerlösten Stadt. Immer wieder Anspielungen auf den Himmel, den Kosmos, die Welt, das ist auch die mittelalterliche Frau Welt und die ist manchmal auch Stephans Freundin Bella, wenn sie ihn nach einer getanzten Nacht verläßt.
Also Stimmennebeneinander: StephanundBellaundderalteZeitungshändlerundseineFrauundderHu ndBelloundAlfeinesuperfetteStimme, die ist von Gerlach Fiedler.
Eigentlich sollte es nur dieses Hörbild werden, daß es hauptsächlich ist. Wo all dieses Gemurmel und Gerede mal aus dem rechten, mal aus dem linken Stereo kommt, mal von ganz dicht hinter der Lautsprechermembran, mal wie aus tiefstem Schrank. Töne wie von oben gesprochen, mal von hinten rechts. In diesem Ohrenkino gibt es viele Wo's zu hören.
Aus den Wo's kommen Texte blödelnde, witzige, diffus philosophierende („Aus einem leeren Himmel kommt kein Engel“). Oder es kommt Spots, so kleine sinnlose, ohrkickende Konsonantenbündel. Die KRRRSCHS und ZKKKS der Comics sind zum Ton heimgekehrt. Das ist entspannend -kurzweilig zu hören. Sollen soll es nicht viel. Ein klein bißchen besoffen macht es, rein über die Ohren und für die ohnehin fällige Gebühr stellt sich diese gewisse ungewisse Entspanntheit ein, wie jedesmal, wenn wir tiefunten im Palast der Seejungfrau den Lärm der Welt von weitweit her hören.
Gegen Ende allerdings, da ist das Hör-Mal-Spiel schon ziemlich fertig, ist noch was passiert. Das war am 9. November 1989. Die 43-Minuten-Sendung übers Gewöhnliche kriegt da noch mal einen kleinen, ungewöhnlichen Kick. Bella ist nach einer kreisenden Nacht gegangen und hat noch gesagt, die Welt habe sich verändert. Da schrillt jemand durchs Telefon: „Und von der Mauer keinen Ton?“ Fast nicht.
Uta Stolle
Eine Produktion von SR, SFB, RB von 1990
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