: Gut ist, was Geld bringt!
Münchener Firma kauft für 50 Jahre alle Rechte an Dresdner Kinos - Alternativer Film bleibt auf der Strecke, 359 MitarbeiterInnen auch / Gnadenfrist bis Silvester / DEFA-, Dok- und Spielfilm ringen selbst ums Überleben ■ Aus Dresden Detlef Krell
Verraten und verkauft fühlen sich die MitarbeiterInnen der Bezirksfilmdirektion Dresden: verraten von ihrer eigenen Leitung, verkauft an die Münchner Gesellschaft „Neue Constantin Film“. Die Bezirksfilmdirektion überläßt der noch in diesem Monat zu gründenden Tochtergesellschaft des Münchner Unternehmens alle Dresdner Kinos für 50 Jahre zur ausschließlichen Nutzung. 200 MitarbeiterInnen können von der Filmdirektion in die neue GmbH hinüberrücken. 359 bleiben auf der Strecke. Sie sollen in einer Immobiliengesellschaft die Altlast übernehmen und die 89 Kinos des Bezirkes verwalten. Im übrigen können sie sich über die Reihenfolge ihrer Entlassung Gedanken machen, denn bis Jahresende sollen nur noch eine Handvoll Beschäftigte in der GmbH verbleiben. Nachdem am 8. Juni ein entsprechender Vertrag durch „Neue Constantin Film“ und Bezirksfilmdirektion ohne Nachbesserungen paraffiert worden war, zog der betriebliche Sprecherrat der IGMedien die Notbremse. Er verweigert die Stellungnahme zur Gründung der GmbH, da er die Gründungsunterlagen bisher nicht einsehen konnte.
Der Sprecherrat verweist darauf, daß mit Gründung der Tochtergesellschaft sowohl die Filmdirektion als auch die „Neue Constantin Film“ aus jeglicher Verantwortung für die KollegInnen der Altlast-GmbH entlassen sind. Die 50-Jahres -Pacht sei eine Verschleuderung von Volksvermögen. Weder kulturelle noch wirtschaftliche Vielfalt im Dresdner Filmwesen sei gewonnen, lediglich der Wechsel von einem Monopol in ein anderes vollzogen.
Wie lange die, im Gesetzblatt Nr. 14 gewährte, Notbremse der Gewerkschaft halten wird, ist ungewiß - über den 1. Juli hinaus wohl kaum. Die vertraglich fixierte Teilung der Belegschaft hat bereits die Interessen gespalten. Schon werden mit Leuten, die der neuen Firma genehm erscheinen, Personalgespräche geführt. Begleitet wird der Ausverkauf des Dresdner Filmwesens von einem seit Monaten anhaltenden Gerangel um die Posten. Letztlich entschied die Treuhandanstalt gegen den von der Belegschaft favorisierten Bewerber zugunsten des ehemaligen Berufsoffiziers und Leiters des größten Dresdner Filmtheaters, des Rundkinos Prager Straße, Achim Blank.
Nicht nur, weil Programme, die aus dem offiziell gesteckten Rahmen herausfielen, im „Rundkino“ nie einen Platz gefunden haben, befürchten MitarbeiterInnen der Bezirksfilmdirektion auch das Ende des alternativen Films in den Kinos. Auf einer Werbeveranstaltung hatte der Münchner Filmboß Eichinger keinen Zweifel bei der Belegschaft lassen wollen: Förderung von Filmkunst und alternative Filmprojekte können nur Privatvergnügen sein, wenn ein Kino Geld hat. In einer Dresnder Boulevardzeitung fand er sanftere Worte: „Unsere selbst produzierten Filme wie Die unendliche Geschichte, Der Name der Rose und Das Boot sind sehr anspruchsvolle Filme und trotzdem Kassenerfolge.“
Das Programmkino Ost in der Dresdner Vorstadt realisiert seit April ein anderes Verständnis von alternativem Film. Jüngstes Ereignis war eine Rosa-von-Praunheim-Woche; DEFA -Archivfilme, Chaplin, Trotta, Dokfilme waren dort zu sehen. Ein Film-Kommunikationszentrum soll daraus werden. Um dieses Vorhaben vor dem Kommerz zu retten, suchen Kino-Leiterin Karin Sorkalla und andere FilmfreundInnen nach neuen Partnern. Interesse fanden sie im Spielfilmstudio und Dokfilmstudio der DEFA, die jedoch selbst ums Überleben kämpfen. Interessiert sind auch einige alternative Vertriebsfirmen der BRD. Das Interesse geweckt werden müßte aber auch im Dresdner Stadtparlament, denn ohne Geld von der Kommune kann dieses Kulturprojekt nicht bestehen. Sonst hat der Heimvorteil gegen die volltönenden Versprechungen des Münchner Filmgiganten, mehrere hundert Mio. Mark in die Dresdner Kinos zu investieren, nicht viel Chancen.
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