: Nicht mehr auf Müll pflanzen
■ Türkische Kleingärtner gründeten Verein und neue Laubenkolonie in Gröpelingen
Der erste türkische Laubenpieperverein der Bundesrepublik bekam gestern in Gröpelingen seine Parzellen zugewiesen. 30 Gärten
für 30 türkische Familien in bester Lage: zwischen Eisenbahn und Autobahn. Umweltsenatorin Eva Maria Lemke-Schulte
pflanzte mit geübter Hand eine Goldakazie. Die Vorgeschichte dieser Premiere ist allerdings düster. Die türkischen Kleingärtner haben schon von 1984 bis 1987 ganz in der Nähe gepflanzt und geerntet. Bis sich herausstellte, daß sie eine frühere Mülldeponie beackert hatten. Cadmium, Blei und Chemieabfälle lagerten im Untergrund und machten sich durch ätzenden Geruch beim Umgraben bemerkbar. Von heute auf morgen mußten die Kleingärtner ihr Land verlassen. Entschädigt wurden sie nicht, dafür aber amtsärztlich untersucht. Der Genuß belasteten Gemüses habe keine Gesundheitsschäden hinterlassen, sagte die Umweltsenatorin. Der Boden der neuen Parzellen sei garantiert sauber. Mehr als zwei Jahre hat es gedauert, bis die Stadt den Türken ein neues Ge
lände zuwies. Die Behörden seien stur und langsam gewesen, ließ Ramazan Demirel, der Vorsitzende des neuen Kleingärtnervereins, durchblicken. Die Umweltsenatorin gab den Vorwurf zurück: die Türken seien mit der Gründung ihres Vereines als Ansprechpartner nicht in Schwung gekommen. Bei der alten Laubensiedlung auf der Müllkippe waren die Pachtverträge über einen türkischen Multifunktionär vermittelt worden: Mustafa Karabacak, Klöcknerbetriebsrat, Vorsitzender des Moscheevereins und wohlhabender Geschäftsmann. Nun hat alles seine Ordnung. Der „Soziale türkische Kleingärtnerverein“ steht im Register, die Zäune sind gezogen, die ersten Salatblätter recken sich in die Luft.
Michael Weisfel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen