: Schubladen
■ betr.: "Betonfeministas" von Helga Lukoschat, taz vom 15.6.90
betr.: „Betonfeministas“ von Helga Lukoschat,
taz vom 15.6.90
Immer diese Schubladen. Es widert mich an. Jetzt bestehen wir grünen Frauen nur noch aus Feministinnen und Postfeministinnen. (Wo bleiben die Praefeministinnen?) Nein! Ich bin - verdammt noch mal - einfach nur Frau. Und das wünsche ich nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch respektiert zu wissen. Ich habe annähernd 50 Jahre meines Lebens gebraucht, um in harter Arbeit an mir selbst (denn das ist notwendig angesichts unserer Sozialisation) meine Identität jenseits der Rollenerwartungen einer patriarchalischen Gesellschaft zu finden, ohne zur reinen Anti-Männer-Zicke zu werden. Einer Gesellschaft, sage ich, denn das bedeutet, daß die Sanktionierung jedweder Eigenständigkeit durch Männer und Frauen erfolgte. Es bedeutet konsequenterweise auch, daß die Schuld (Banalität!) niemals nur bei den anderen liegt. Besonders zur Unterdrückung gehören immer zwei: eineR, der/die unterdrückt, und eineR der/die sich unterdrücken läßt.
Dieser Mühe (unter Bezahlung eines hohen Preises!) habe ich mich wahrlich nicht unterzogen, um mir nunmehr von Frauen erzählen zu lassen, wer oder wie ich zu sein hätte. Darin sind besonders die Feministinnen groß. Die Arroganz, mit der sie glauben, anderen Frauen vorschreiben zu dürfen, welches ihre Interessen zu sein hätten, unterscheidet sich in nichts von der männlichen Arroganz, die uns die Reduktion auf Küche, Kinder, Kirche als „unsere Interessen“ zu verkaufen sucht, und ist genauso unverschämt. Deshalb erscheinen mir die Feministinnen nur wie das (halt seitenverkehrte) Spiegelbild des Patriarchats, mit den gleichen Drohgebärden, den gleichen psychosozialen Druckmechanismen: „Wehe, du bist nicht so, wie wir dich haben wollen!“ Dann nämlich gibt's auch keine Solidarität. Es ist diese Verwechslung eines (aus kleinlichen Gruppen- oder Individualinteressen geborenen) Druckmittels mit Solidarität, die auch gesamtgesellschaftlich Chancen zunichte macht, und das nicht nur in Niedersachsen. Aber darin sind wir Deutschen (Männer und Frauen) ja schon immer groß gewesen.
Barbara Volhard, Freiburg
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