: Kein Geld für Überläufer?
■ Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst bezichtigen Ex-Spionagechef Markus Wolf der Lüge / Geld fürs Überlaufen hat es danach nicht gegeben / Informantenhonorare werden aber eingeräumt
Berlin (taz) - Die Bundesregierung läßt dementieren: Weder der Verfassungsschutz (VS) noch der Bundesnachrichtendienst (BND) will Überläufern der Stasi Geld und Straffreiheit versprochen haben. Erhoben hatte die Vorwürfe der frühere Chef des Auslandsspionagedienstes (HVA) der Stasi, der legendäre Markus „Mischa“ Wolf. Vor den laufenden Kameras der „Tagesthemen“ erklärte am Dienstag der Top-Mann der DDR -Spione, ihm selbst sei die Aufhebung seines Haftbefehls in Aussicht gestellt worden - wenn er im Gegenzug nur auspacken würde. Wolf: „Mit mir nicht zu machen.“ Darüber hinaus erklärte Wolf, allein in seinem Bekanntenkreis seien „sehr massive Angebote“ gemacht worden. Die Summen, die BND und VS fürs Überlaufen ins Spiel gebracht hätten, seien sehr ordentlich gewesen. Sie hätten sich bei einem seiner Bekannten im siebenstelligen, bei weiteren im sechsstelligen Bereich bewegt.
BND und VS verwahrten sich umgehend. „Überläufern sei niemals Geld geboten worden“, heißt es sowohl beim Pullacher Nachrichtendienst als auch in der VS-Zentrale in Köln. Die Sprecher beider Behörden mutmaßten im Gegenzug, Markus Wolf wolle nur von seiner eigenen Rolle beim Verstecken bundesdeutscher Terroristen in der DDR „ablenken“. Da half auch nicht, daß DDR-Innenminister Diestel schon am Dienstag vormittag die HVA des Spionageleiters Wolf vom Vorwurf freigesprochen hatte - wie in den BRD-Medien behauptet -, den früheren RAF-Mitgliedern in der DDR eine neue Existenz verschafft zu haben. Diestel hatte zwar versucht, den SED -Mann Markus Wolf in den Auflösungsprozeß der Stasi einzubinden - den Verdacht, daß der stramme DSU-Mann den Top -Mann der DDR-Spione besonders protegieren wolle, hat aber noch keiner seiner konservativen Politikerkollegen erhoben. Geld fürs Überlaufen hat es also nicht gegeben. Fast richtig. Bei BND und VS wird kleinlaut eingeräumt, daß es Informantenhonorare gegeben habe. Die semantische Spitzfindigkeit heißt, Überläufern, die sich selbst offenbart hätten, sei ihre Auskunft honoriert worden. Das Angebot, in die Bundesrepublik Überzulaufen, sei nur damit verbunden worden, „daß wir ihnen schon weiterhelfen.“ Die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen: „Informationen aus diesem Personenkreis werden in Einzelfällen von den Nachrichtendiensten des Bundes in Erfüllung ihres Auftrages entgegengenommen. Nähere Einzelheiten betreffen die operative Arbeit der Nachrichtendienste und können aus Gründen der Geheimhaltung nicht öffentlich, sondern nur in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien beantwortet werden“.
Wolfgang Gast
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