: Wege aus der Dauerarbeitslosigkeit
■ Drei selbstverwaltete Betriebe von Ex-ABMlerInnen gegründet - „ganz ohne hierarchische Strukturen“
Schöneberg. „Wir wollten die Drehtür von Arbeitslosigkeit, Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und wieder Arbeitslosigkeit durchbrechen“, so der Leiter des Projekts „Leben&Arbeiten in Schöneberg“, Rainer Milletag. „Was bringt eine ABM -Tischlerinnenausbildung, wenn die Betriebe keine Frauen nehmen?“ Nach zwei Jahren ABM-Maßnahmen ist es nun gelungen, den Teufelskreis zu durchbrechen: aus dem Weiterbildungsprojekt WerkStadt sind nun drei selbständige Firmen hervorgegangen, die Holz-, Metall- und Elektroarbeiten anbieten. Über 20 Personen haben eine Arbeit in ihren neugegründeten GbRs (Gesellschaften bürgerlichen Rechts) gefunden.
„Im ersten halben Jahr haben wir viel Lehrgeld bezahlt“, so Milletag. „Aber jetzt sind wir topfit.“ Aufträge gibt es auch schon - auch wenn eine zufriedenstellende Auslastung noch nicht gegeben ist. Die Palette der angebotenen Leistungen reicht von Möbeln über die Renovierung von Treppenhäusern bis hin zum Kabelfernsehanschluß. Der Elektrobetrieb ist sogar ein bei der BEWAG eingetragener Meisterbetrieb. Ermöglicht wird die Arbeit der Firmen unter anderem, weil die zur Ausbildung angeschafften Maschinen und Räume weiterbenutzt werden können. In dem neuen WerkStadt -Zentrum in der Bürgerstraße 29/31 in Neukölln wollen die frisch Ausgebildeten jetzt „ohne hierarchische Strukturen“ umsetzen, was sie gelernt haben.
Der vierte Bestandteil des Projekts Leben&Arbeiten, die „Rollende WerkStadt“, ist jedoch nicht konkurrenzfähig. Sie füllt eine Nische aus, die vom Markt nicht wahrgenommen werden kann: die Reparatur von Kleinigkeiten wie zum Beispiel Wasserkräne, das Abholen von Sperrmüll oder wenn mal „jemand mit einer Bohrmaschine“ benötigt wird. Dieser Service für einen „symbolischen Stundenlohn von zehn DM“ wird vor allem von älteren, alleinstehenden und häufig gebrechlichen Menschen angenommen, die derartige Arbeiten nicht selbst ausführen können und die für normale Handwerksbetriebe zu geringfügig sind. In einem Fall war zum Beispiel in der Wohnung kein Licht mehr, weil alle Glühbirnen kaputtgegangen waren. Da solche (Sozial-)Arbeiten nicht zu Marktpreisen abgewickelt werden können, werden die sieben Handwerker trotz der zum 30.4. ausgelaufenen ABM -Stellen weiterbeschäftigt: Statt der auf maximal zwei Jahre begrenzten ABM-Förderung werden die Beschäftigten jetzt durch die „Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose“ weiterfinanziert. Zumindest bis 1992 ist damit die Rollende WerkStadt gesichert.
In naher Zukunft will der Verein „Leben&Arbeiten in Schöneberg“ neue ABM-Qualifizierungsmaßnahmen anbieten. Unter anderem ist eine Filzmacherei, eine Fahrradwerkstatt und eine Entwicklungswerkstatt geplant. In der Entwicklungswerkstatt sollen neue, sozial nützliche Produkte und Dienstleistungen in Zusammenarbeit mit den Verbrauchern entwickelt werden.
Rochus Görgen
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