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Wiedergutmachung für die Oma

■ Zur Neuauflage des emotionsbeladenen Fußballhits BRD - Niederlande

Daß die Politik-Redaktion ausgerechnet dieser Zeitung ein Fußballspiel, das zudem erst noch bevorsteht, zum Kommentarthema kürt, zeigt schon, daß es um mehr gehen wird als um 44 Kickerwaden und eine luftgefüllte Kugel. BRD gegen Niederlande - „Wieder einmal, welch eine Strafe“ (ARD) morgen abend bei der WM in Italien, das ist aufs neue die hierzulande so unangenehm empfundene Konfrontation mit der eigenen Nazi-Geschichte, und das ist auch der stets aktuelle Vorwurf unseres kleinen selbstbewußten Nachbarn, wie unverbesserlich arrogant wir Deutschen doch seien.

Die deutschen Besatzer sind nicht vergessen, das geflügelte Wort lautet bis heute: Die Deutschen haben das Fahrrad unserer Oma noch nicht zurückgegeben - ihre geliebten „Fietsen“, für die Holländer Symbol von Eigenständigkeit und sowas wie der Benz für den feisten, reichen Nachbarn, waren nach dem Überfall 1940 von der Wehrmacht hunderttausendfach zwangsenteignet worden.

Als Beckenbauers Recken 1988 gegen die niederländischen Filigrankicker bei der Europameisterschaft sensationell 1:2 verloren, freute sich ganz Holland darüber mehr als über den späteren Titel: Ein Fahrrad haben wir zurückgeholt. Wiedergutmachung für unsre Oma. Viele andere aber warten noch. Morgen soll das nächste folgen. Ob sich dann auch wieder ein Holland-Kicker ein nach Spielschluß getauschtes Trikot der „Moffen“ verächtlich durch den Schritt ziehen wird wie damals in Hamburg?

Sportlich scheinen die Deutschen, nach blendenden Auftaktsiegen gegen minderbemittelte Gegner, wieder die Favoriten. Gestern versuchten alle, wie branchenüblich, die vergiftete Atmosphäre zwischen beiden Teams herunterzuspielen. Teamchef Beckenbauer wehrte sich gegen die Meldung, ihn habe „blankes Entsetzen“ gepackt, das müsse wohl „eine Agentur für Micky-Maus“ gedichtet haben. Stürmerstar Marco van Basten wollte vorab keine neuen Ressentiments schüren, gab sein Interview dem ihn plump duzenden ARD-Reporter aber, obwohl er gut Deutsch spricht, vornehm-distanzierend in englischer Sprache.

Es wird das Spiel der fröhlichen Karnevalskapellen gegen das dumpfe „Deutschland, Deutschland“ mit manchem Erste -Strophe-Choral. Es ist das Duell der intelligenten Cosmopoliten bei den holländischen Spielern - Farbige, Rastas und politisch engagierte amnesty-Freunde - gegen die mehrheitlich dumpfen Germanen mit ihren bei Inter Mailand kickenden „Fußball-Legionären“ (Fachjargon), die sich vom rechts-nationalen DFB gern befehlen lassen, lauthals die Nationalhymne mitzusingen.

So brüllt denn mal schön mit für Deutschland, Ihr kritischen linken Fußballfreunde. Ganz im Sinne von Herrn Kohl, passend zur Wiedervereinigung auch noch dem nationalen Sonnenbad eines Weltmeistertitels näherzukommen. Deutschland vor... über alles und vor allen. Zu verhindern wäre dies durch eine wahrhaft europäische Tat von Gullit, van Basten und Co.

Bernd Müllender

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