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„Große Koalition“ im Hauptstadtkoller

■ Politiker in DDR und West-Berlin verlangen Festschreibung im zweitem Staatsvertrag / Leber: Bonn macht als Hauptstadt keinen „Staat“

Berlin. Sowohl in der DDR als auch in West-Berlin hat sich eine „Große Koalition“ für Berlin als künftige Hauptstadt formiert. Die Spitzen von CDU und SPD in der DDR setzten sich ebenso wie ihre Westberliner Kollegen nachdrücklich dafür ein, in einem zweiten deutsch-deutschen Staatsvertrag Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz festzuschreiben. DDR-Ministerpräsident de Maiziere begründete diese Forderung mit der Bedeutung Berlins sowohl für die Integration der künftigen fünf DDR-Länder als auch für die Einbindung des Ostens in die europäische Einigung.

Der Regierungschef nannte die Festlegung auf Berlin als Hauptstadt ein wesentliches Ziel in den Verhandlungen über einen zweiten Staatsvertrag. Der Vorsitzende der DDR-SPD, Thierse, erklärte, für ihn sei Berlin als Hauptstadt „selbstverständlich“. Seiner Ansicht nach wollen 90 bis 95 Prozent der DDR-Bevölkerung Berlin als Hauptstadt.

Am Samstag hatten sich die Spitzen von SPD und CDU in West -Berlin für einen Umzug der Regierung aus Bonn starkgemacht. Der Regierende Momper verwies darauf, daß alle Resolutionen im Bundestag zugunsten Berlins als Hauptstadt einstimmig angenommen worden seien.

Dabei müsse auch Rücksicht auf die Identität der DDR-Bürger genommen werden: „Für sie ist Berlin als gesamtdeutsche Hauptstadt die Stätte für die Hoffnung gewesen, daß die Trennung nicht von Dauer sein darf.“ Berlin verfüge über genügend Regierungsgebäude für einen Umzug.

West-Berlins CDU-Chef Diepgen verlangte den sofortigen Umzug des Bundespräsidenten nach Berlin. Außerdem sollte bereits jetzt der Bundesrat in Berlin zusammentreten, und der Bundestag müsse dort seine konstituierende Sitzung abhalten. Er regte ferner an, daß Bundesministerien, die jetzt in Bonn kein eigenes Gebäude hätten und hohe Mieten zahlten, umgehend nach Berlin kommen und die freigewordenen DDR-Ministerien nutzen, zum Beispiel das Umwelt- und das Entwicklungshilfeministerium.

Auch der ehemalige Verteidigungsminister Leber plädierte für Berlin als „Symbol der deutschen Einheit“. Der SPD -Politiker kritisierte Bonn als die am wenigsten „Staat“ machende Hauptstadt Europas. Gerade für DDR-Bürger sei die derzeitige Bundeshauptstadt ein Symbol der Teilung. Deshalb dürften jetzt nicht kleinmütige Argumente die Oberhand gewinnen: „Nach dem Fall der Mauer symbolisiert die wiedervereinigte Weltstadt Berlin wie keine andere das künftige, geeinte Deutschland.“

dpa/ap

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