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KPdSU-Apparat probte den Aufstand

Russische KP wählte Poloskow zum Ersten Sekretär / Gorbatschow verzichtet nicht auf den Parteivorsitz  ■  Aus Moskau K.H. Donath

„Warum gelingt es Euch nicht, im Lande Ordnung zu schaffen? Alles, was ihr dazu braucht, habt ihr: neue Gesetze und eure Rechte...“, mahnte Gorbatschow in der abschließenden Fragerunde des Gründungskongresses der Russischen Kommunistischen Partei (RKP) die über 2.700 Delegierten aus der Russischen Föderation. Die glatten Reihen grauer Anzüge, hie und da ein Farbtupfer militärischen Grüns, warfen auf einmal Falten. Zum Abschluß des Kongresses mußten sie sich nun doch noch die Leviten lesen lassen.

Aber unbestritten war es „ihr“ Parteitag, der Parteitag der Konservativen gewesen. Und auf ihm zeigte sich der Aufstand des Apparats. In den vergangenen fünf Jahren hat die Sowjetunion keinen Parteikonvent erlebt, der sich mit diesem ideologischen Bramarbasieren hätte messen lassen können. Und wie nie zuvor mußte auch der noch amtierende KPdSU -Generalsekretär Gorbatschow reichlich Schläge wegstecken. Doch am Samstag abend war ein kampffreudiger Generalsekretär zurück im Ring. „Soll ich allein im Land für Ordnung sorgen? Ihr seid es doch, die auf Bezirks- und Rayonebene die Fäden in der Hand haltet.“

Anfänglichen Spekulationen, Gorbatschow würde freiwillig auf den Parteivorsitz beim bevorstehenden 28. Parteitag verzichten, trat er entschieden entgegen: „Ich bin überzeugt, wir müssen die gegenwärtige Situation so belassen wie sie ist, weil wir jetzt vor dem entscheidenden Moment stehen.“ Und überraschender Weise setzte sich auch der frisch gekürte Erste Sekretär der RKP, Iwan Poloskow, für eine weitere Amtsperiode Gorbatschows als Generalsekretär ein: „Ich werde Gorbatschow dabei unterstützen, seine Funktionen als Staatspräsident und Generalsekretär zu behalten. Bisher hat sich die Macht des Präsidentenamtes nicht voll entfalten können und die Kraft der Partei kann auch noch nicht abgeschrieben werden“, meinte der 55jährige Ökonom in seiner ersten Pressekonferenz. Poloskow war es erst im zweiten Wahlgang gelungen, die erforderliche Stimmenmehrheit zu erhalten. Mit 1.396 Stimmen gegen 1.066 schlug er schließlich den als moderat geltenden Zweiten Parteisekretär der KP Armeniens, Oleg Lobow, aus dem Rennen. Poloskow hatte sich in den zurückliegenden Monaten mehrfach als Kritiker der geplanten Wirtschaftsreformen hervorgetan. Der Parteichef der landwirtschaftlich bedeutenden Region Krasnodar, im südlichen Rußland, hatte daneben einen Feldzug gegen die geplante Umstellung der Produktion zu kooperativen Unternehmen eröffnet.

Seine versöhnliche Haltung gegenüber dem Präsidenten muß einige Irritationen im Lager der Konservativen gestiftet haben, die unter der Federführung Jegor Ligatschows wiederholt den Rücktritt Gorbatschows gefordert hatten. Es gibt aber Hinweise darauf, daß nachdenklichere konservative Zirkel zu der Einsicht gelangt sind, ihren Zielen dürfte es dienlicher sein, wenn der Präsident gleichzeitig den Parteivorsitz behielte. Gorbatschow müßte so mehr Rücksicht auf die Interessenlage der Partei nehmen.

Die Konservativen zeigten auch, wo sie noch Trümpfe in den Händen halten. Alle Perestroika-Gesetze können nur durch die unteren örtlichen Organe der Partei umgesetzt werden. Den Sowjets fehlt es dazu noch an Kraft. Um die Verlagerung der Kompetenzen von der Partei auf die staatlichen Organe zu verhindern, schlugen einige Abgeordnete sogar vor, eine Delegation des Parteikonvents auf die Sitzung des nebenan tagenden Kongresses der Deputierten der Russischen Föderation zu schicken: Auf deren Tagesordnung stand die Diskussion eines Gesetzes über die Unterbindung der Personalunion aus Staats- und Parteifunktionen.

Selbst der konservative Leningrader Parteichef Boris Gidaspow, der die Gründung einer RKP als Gegenmacht zur KPdSU anfänglich forciert hatte, kam am Ende der Sitzung zu dem ängstlichen Resümee: „Sollte die Partei so eine rechtsgestrickte und konservative Haltung einnehmen, wird sie nur geringe Überlebenschancen haben.“ Gelingt es Gorbatschow, erneut Generalsekretär zu werden, muß er sich trotz aller versöhnlichen Töne des neuen Parteivorsitzenden auf den Beginn einer Doppelherrschaft einstellen.

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