: Schnelle und effiziente Reaktionen Irans
■ Bei der Erdbebenkatastrophe kommen Teheran Kriegserfahrungen zugute / Notunterkünfte jetzt vorrangig
Mandschil/Iran (ap) - Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben im Norden Irans sind alle betroffenen Dörfer von Hilfsorganisationen erreicht worden. Die Chancen, weitere Überlebende zu finden, werden immer geringer. Mindestens 50.000 Menschen sind bei dem Erdbeben ums Leben gekommen. Rund 500.000 Menschen sind obdachlos. Zunehmend richtet sich das Augenmerk der Helfer auf die Überlebenden.
Für die halbe Million Obdachlose im Nordwesten Irans ist der kommende Winter schon jetzt eine reale Gefahr. Christian Brauner, Koordinator des Deutschen Roten Kreuzes in Mandschil, will jetzt schon gut isolierte Wohnwagen und Container anfordern, denn in wenigen Monaten können kaum genug feste Unterkünfte gebaut werden, um alle Obdachlosen aufnehmen. Auf der Liste der jetzt am meisten benötigten Hilfsgüter, die die Regierung in Teheran den Vereinten Nationen übermittelt hat, rangiert Baumaterial neben Zelten, Decken und Medizin ganz oben.
Ingesamt geben sowohl die ausländischen Helfer vor Ort wie auch die Beauftragten der Vereinten Nationen den iranischen Verantwortlichen gute Noten für ihre Reaktion auf die Katastrophe. Die aus aller Welt herbeiströmende Hilfe werde
-soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich sei gut verteilt. Die iranischen Behörden hätten schnell und effizient auf die Lage reagiert, heißt es in einem UNO -Bericht.
Iranische Verantwortliche schreiben das schnelle und umsichtige Einschreiten nicht zuletzt den Erfahrungen aus dem acht Jahre langen Krieg mit Irak zu. Notversorgung, Evakuierung und Bergung nach Bombenangriffen habe seinerzeit zur Tagesordnung gehört, sagte ein Mitglied des Roten Halbmonds.
Das Krankenhauspersonal in Teheran hat ebenfalls noch aus dem Krieg Erfahrung in der raschen Notversorgung von Verwundeten. In Teheran wurden 4.000 der rund 100.000 Verletzten untergebracht.
Inzwischen sind weit mehr als 100 Hilfsflüge aus 26 Ländern in der iranischen Hauptstadt eingetroffen, deren Ladung schnell in Transportflugzeuge, Hubschrauber und Lastwagen verfrachtet werden muß. Luftwaffenpiloten fliegen am Tag bis zu achtmal mit ihren C-130 „Hercules“ in das 270 Kilometer von Teheran entfernte Erdbebengebiet.
Die schiitische Geistlichkeit hat unterdessen den - nach den moslemischen Religionsgesetzen eigentlich verbotenen Massenbestattungen zugestimmt, um die Seuchengefahr zu bannen. Hubschrauber besprühen ganze Landstriche mit Desinfektionsmitteln, denn längst nicht alle Tote können geborgen werden. Freigelegte Leichen müssen umgehend wieder beerdigt werden. Für die im Koran vorgeschriebenen Riten bleibt oft keine Zeit.
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