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Der Europäischen Gemeinschaft einen Korb gegeben

Die andere Seite des Europäischen Währungssystems / Stabile D-Mark ermöglicht den Export bundesdeutscher Arbeitslosigkeit / Anpassungszwang bei den Kleinen  ■  Von Dietmar Bartz

Berlin (taz) - Eine Handvoll Multis veröffentlicht ihre Bilanzen schon heute in der „European Currency Unit“, der „Europäischen Währungseinheit“ Ecu, wie sie abgekürzt heißt. Aber auch die EG-Konzerne verzichten nicht darauf, in ihren Geschäftsberichten brav die Währung ihres Heimatlandes neben diese Angaben zu setzen. Das müssen sie auch, denn ein selbständiges Zahlungsmittel ist die Ecu nicht.

Obwohl natürlich die Europäische Gemeinschaft ihren Haushalt in Ecu ausdrückt, bekommt keiner der zahllosen Brüsseler Eurokraten seinen Lohn in Ecu ausgezahlt, sondern meist in belgischen Franc. Auch internationale Kredite und Anleihen, die zunehmend auf Ecu lauten, verwandeln sich im Empfangsland auf wundersame Weise und völlig reibungslos wieder in Dollar, Yen oder D-Mark.

Vor ein paar Jahren hat es in Belgien immerhin zu einer Fünf-Ecu-Münze gereicht, aber auch sie ist ein reines Gedenkstück: Man bekommt dafür nicht einmal eine Ansichtskarte der EG-Zentrale. Lange war sogar das Geschlecht umstritten, und noch heute geht es in der Presse wie Kraut und Rüben durcheinander (es heißt offiziell die Ecu). In dieser Einheit sollen also irgendwann in den neunziger Jahren oder vielleicht auch nach der Jahrtausendwende, 350, 360, 370 Millionen Menschen in einem der mächtigsten Wirtschaftsblöcke der Erde ihre Rechnungen bezahlen? Dann allerdings wird sie mit der Ecu von heute nur noch wenig zu tun haben.

Wenigstens einen Grobumrechnungskurs gibt es. Ein Ecu entspricht etwa zwei D-Mark. Genauer: derzeit sind es 2,0630 DM. Wenn die EG also mal wieder einem Agrarsubventionsbetrug auf die Spur gekommen ist und einen Schaden von 30 Millionen Ecu meldet, handelt es sich um rund 60 Millionen D-Mark.

Die Anteile

Noch ist die Ecu ein künstlicher Währungskorb, zu dem, nach seiner Wirtschaftskraft gewichtet, jedes EG-Land seinen Teil beiträgt. 1979 wurde die Ecu zusammen mit dem Europäischen Währungssystem (EWS) geschaffen, um die heftig gegeneinander und gegenüber dem Dollar schwankenden EG-Währungen zu stabilisieren. Im einzelnen besteht eine Ecu aus: 0,6242 DM, 3,301 belgischen Franc, 0,130 luxemburgischen Franc, 0,1976 dänischen Kronen, 1,332 französischen Franc, 0,008552 irischen Pfund, 151,8 Lire, 0,2198 Gulden, 6,885 Peseten, 0,08784 britischen Pfund, 1,44 Drachmen und 1,393 Escudos.

Dies ist der Stand vom 21.9. 1989, als die anderen Währungen quasi ein bißchen zusammenrücken mußten, um der spanischen Peseta und dem portugiesischen Escudo bei ihrer Aufnahme in den Ecu-Korb Platz zu machen. Seither hat sich die Verteilung nicht geändert. Wie hoch der Betrag einer Korbwährung im Währungskorb ist, handeln die Regierungen bzw. die nationalen Notenbanken untereinander aus; die EG -Zentrale hat hier überhaupt nichts zu melden. Die Anteile des britischen Pfundes, der griechischen Drachme und des portugiesischen Escudo sind allerdings fiktiv, weil die Regierungen nicht dem Wechselkursmechanismus des EWS beigetreten sind, also auch nicht verpflichtet sind, die Kurse stabil zu halten.

Die BRD ist mit 30,1 Prozent an der Ecu beteiligt, Frankreich mit 19 und Großbritannien mit 14 Prozent. Madrid handelte 5,3 Prozent, Lissabon 0,8 Prozent aus. Weil die ExpertInnen für die Korbwährungen jeweils einen Ecu-Leitkurs festlegen, lassen sich die Einzelkurse über die Ecu miteinander verknüpfen. So ist derzeit 1Ecu 2,0630DM 2,9243 französische Franc 1.511 Lire und so weiter, und darüber werden auch die Kurswerte untereinander ausgerechnet.

Nur Pfund, Drachme und Escudo werden frei gehandelt. Die Werte ihrer Währungen schwanken vor allem wegen der hohen Inflationsraten so stark, daß sie das Wechselkurssystem permanent in Unordnung bringen und Neufestsetzungen ihrer Anteile im Währungskorb, „Realignments“, erforderlich machen würden. Die anderen Währungen dürfen maximal um 2,25 Prozent über oder unter den Leitkursen schwanken. Nur Spanien als Newcomer des letzten Jahres hat eine sechsprozentige Schwankungsbreite bekommen.

Gelänge es, alle den Wechselkurs bestimmenden Elemente EG -weit zu vereinheitlichen, wären überhaupt keine Schwankungsbreiten mehr nötig. Dann könnten in den Läden alle Waren ihre Preise in allen Währungen tragen. Der Einfachheit halber bietet sich dann gleich eine neue, einheitliche Währung, die Ecu eben, an. Dies ist auch das Endziel der WWU, der Wirtschafts- und Währungsunion (siehe taz vom 26.6.). Voraussetzung dafür wäre allerdings, daß nicht die eine Notenbank massig neues Geld druckt, während die andere damit knappst. Eine einheitliche Geldmengenpolitik muß auch durch eine einheitliche Notenbank erfolgen - die geplante Euro-Zentralbank.

Das System

Wirtschaftspolitisch ist eine niedrige Schwankungsbreite bei den Wechselkursen erwünscht, weil stabilere Wechselkurse unter anderem einen stabileren Außenhandel ermöglichen. Aber eigentlich geht es bei der Stabilitätspolitik um die Inflationsrate selbst, weil die Besitzer von Geld und Produktionsmitteln deren Wert natürlich nicht gerne dahinschmelzen sehen wollen. Je höher die Inflationsrate ist, um so mehr sackt auch der Wechselkurs in den Keller, wenn nichts dagegen getan wird.

Wenn die Währung im Vergleich zu den anderen schwach wird, muß das Auslandskapital mit hohen Zinsen ins Land gelockt werden, damit die Nachfrage nach der eigenen Währung den Kurs stabil hält. So ist das französische Zinsniveau immer deutlich höher als das bundesdeutsche - mit allen nachteiligen Folgen für die Konjunktur. Denn im Inland werden die Investitionskredite teurer, was Rendite (für die KapitalbesitzerInnen) und Arbeitsplätze (für die Beschäftigten) gefährdet. So werden Wettbewerbsnachteile gegenüber den Hartwährungsländern zementiert, ohne daß eine Regierung je die Chance bekäme, diese Aufholjagd zu gewinnen.

Und selbst wenn sich die Wirtschaftskraft der Länder überhaupt nicht verändert, müssen sie zuweilen noch die Zinsen erhöhen: Wenn etwa durch die internationale Geldspekulation aus den USA oder Japan massiv D-Mark gekauft werden, müssen die kleineren, schwächeren Länder notgedrungen mit Zinserhöhungen nachziehen, um nicht ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber der D-Mark zu verlieren obwohl ihre Ökonomien das nur sehr schlecht vertragen.

Zudem bedeutet eine „eigentlich“ zu starke Währung, daß die Importe billiger und die eigenen Exporte teurer werden. So kauft eine spanische, belgische, französische oder irische Firma ihre Maschinen im Ausland, etwa in der „billigen“ BRD. Weil die Importpreise fallen, wird mit den Waren auch die Stabilität eingeführt. Umgekehrt können die Exportpreise aber kaum erhöht werden, um nach dem Inlandsabsatz nicht auch noch den Export zu gefährden.

Und: zugleich wird Arbeitslosigkeit importiert, denn schließlich werden die Waren ja im Ausland produziert. Die bundesdeutsche Arbeitslosigkeit läge deutlich höher, wenn nicht Jahr für Jahr extreme Außenhandelsüberschüsse erzielt werden würden - 1989 lagen sie bei 137 Milliarden D-Mark. Stabile Preise im eigenen Land, also eine niedrige Inflationsrate, und Überschüsse im Außenhandel, also höhere Arbeitslosigkeit anderswo, gehören also zusammen.

Hinzu kommt, daß, wenn die Notenbank die Zinsen anhebt, natürlich auch eine verschuldete Regierung den Geschäftsbanken entsprechend mehr Kreditzinsen auf deren Konten überweisen muß.

Die Armen zahlen mehr

Am einfachsten ist es nun, die Inflation über verringerte Löhne zu senken, heißt: Tarifabschlüsse mit Steigerungen unter der Inflationsrate und damit reale Einkommensverluste für die Masse der Beschäftigten. Möglich - und gängige Praxis - ist auch eine „weichere“ Variante, nämlich die Löhne weniger schnell als die Produktivität steigen zu lassen.

Wenn die Geldwertstabilität weiterhin eine solche Hochkonjunktur hat wie im EG-Europa der späten siebziger und der achziger Jahre, gibt es noch eine zweite Möglichkeit, die Inflation zu drücken: die staatlichen Haushaltsdefizite zu senken. Das führt zur sinkenden Nachfrage nach Krediten oder zum langsameren Drehen der Banknotenpresse, um die Etatlücken zu finanzieren. So sinnvoll im Grunde eine niedrige Inflationsrate ist, heißt eine Verringerung des Haushaltsdefizits aber viel eher Rotstiftpolitik, etwa bei den Sozialausgaben, als etwa Steuererhöhungen für Unternehmen. Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, daß an den entscheidenden Brocken - etwa den Verteidigungsetats - nicht oder kaum gekürzt wird. Anders ist es auch mit einer noch so stabilen Währung nicht möglich, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik stehen müßte.

Doch aus solchen Debatten halten sich die Notenbanker zumindest der Bundesrepublik heraus. Sie rufen nur ihre KollegInnen in den anderen elf Zentralbanken an, um neue Zinsbeschlüsse durchzugeben. Die anderen müssen notgedrungen reagieren. Wenn sich dann ein Politiker mit seinem Aufruf zu „moderaten“ Lohnabschlüssen in die bundesdeutschen Tarifverhandlungen einmischt und noch zusätzlich vor der japanischen Gefahr warnt - wer könnte da noch zurückverfolgen, warum genau das die KollegInnen in Spanien oder Irland ihre Arbeitsplätze kosten kann?

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