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Weibliche Postmoderne?

■ Vortrag zur feministischen Naturwissenschaftskritik an der Uni OL / Heute abend in HB

Dem Haus der Moderne droht der Zerfall, das zivilisatorische Mobiliar und der Garten der Natur fallen der Rationalität von Naturwissenschaft und Technik zum Opfer. Akademische Bewohner des maroden Gemäuers erspähen epochale Risse im Bau, aber auch bislang liegengelassene Bausteine zur Sanierung. Im Auftreten der Postmoderne funkelt eine fundamentale Kritik an der abendlän

dischen Rationalität, sie setzt Prinzipien der Sinnlichkeit, Subjektivität, Vielfalt und des Irrationalismus gegen die cartesianische Vernunft der Moderne, die auf Rationalität, Objektivität und Homogenität fußte.

Ein Bild dieser Art entwarf die Bochumer Historikerin Dr. Maria Osietzki in einem Vortrag an der Uni OL. Für sie verweisen die postmodernen Attribute der ge

sellschaftlichen Architektur auf Überlegungen aus der Frauenforschung. Daher ihre Frage, ob die „feministische Naturwissenschaftskritik als neuer Stern am postmodernen Himmel“ leuchten könne und solle.

Wie die Referentin betonte, bleibt der postmoderne Entwurf ideologisch, wenn er vernachlässigt, daß sich jedem wissenschaftlichen Verständnis ein gesellschaftliches Umfeld von Rassen-, Klassen- und Geschlechterverhältnissen einprägt, die Blicke auf die Welt zu Blicken durch bestimmte Brillen machen. Wenn hierarchische Polarisierungen der Moderne zwischen Öffentlichem und Privatem, Vernunft und deren 'Anderem‘ nun als gleichberechtigt, aber in ihrer zugerichteten Form unverändert, in die Skizze einer neuen Gesellschaft eingehen sollten, hielte sie das für wenig hilfreich.

Wie Maria Osietzki zeigen konnte, macht postmodernes Denken die „Weiblichkeit“ zur federführenden Konzeption. Die Frauen aber, ihre Interessen und Lebenspraxis, finden sich in diesem Sanierungskonzept für die marode Moderne nur in Form der nun vereinnahmten Projektion des abstrakt „Weiblichen“ wieder. Also eher ein Beruhigungsmittel aufgeschreckter Denker als ein emanzipatorisches Allheilmittel, wie es die der Postmoder

ne verspricht?

Nach Frau Osietzki hat sich die feministische Naturwissenschaftskritik ihrer eigenen Kategorien zu versichern, die mögliche Falle postmoderner Vereinnahmung zu umgehen und das Lockmittel namens „Weiblichkeit“ als altes Gift zu identifizieren - damit in den Ruinen der brüchigen Moderne niemand vom leuchtenden Stern zur toten Maus gemacht werde, nur weil sie sich die imposanten Gemäuer mal von unten ansieht.

Jörg Mayer

„Feministische Naturwissenschaftskritik - Ein Stern am Himmel der Postmoderne?“, Vortrag von Dr. Maria Osietzki, Uni HB, NW II, Raum A 1290

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