: Deutschland ganz, Bremen weg?
■ Justizsenator Kröning fordert „alternative Föderalismus-Debatte“
Die Sitzung war zu Ende, der Staatsvertrag abgesegnet. Die drei Bremer im Bundesrat, Claus Grobecker, Vera Rüdiger und Volker Kröning, packten ihre Koffer. Einer mit einem besonders unguten Gefühl. Bis zum letzten Moment hatte Bremens Justizsenator Volker Kröning hate versucht, den Sachwaltern der neuen SPD-Bundesratsmehrheit goldene Brücken zwischen rüder Ablehnung und nahezu bedingungsloser Zustimmung zu bauen. Vergebens. Die Mitspracherechte der Bundesländer bei der deutsch-deutschen Einigung, deren Wahrung zuständigkeitshalber Krönings besonderes Augenmerk gelten mußte, waren weiter eingeschränkt. Die entsprechenden Formulierungen des gerade verabschiedeten Zustimmungsgesetzes mußten Kröning geradewegs als persönliche Niederlage erscheinen, ebenso wie er die Zusage einer umfassenden Beteiligung aller Länder ein Vierteljahr zuvor auch als persönlichen Erfolg verbucht hatte. Geblieben war jetzt ein Catch as catch can aller Länder - quer zu allen parteipolitischen Fronten.
Kröning fuhr mit einer düsteren Vision und einem festen Vorsatz nach Hause. Die Vision: Die deutsche Einigung könnte unter den Händen der Bundesregierung nicht nur stillschweigenden Einvernahme der DDR geraten, die Bundesländer könnten gleich mit unter die Räder eines gesamtdeutschen Zentralstaats geraten, Bremen im Rahmen einer Neuordnung der Länder als Bundesland am Ende ganz zur Disposition stehen. Der Vorsatz: Gerade aus dem machtpolitisch unverdächtigen Bremen müßte sich die deutsche Einigung auch als Debatte um die Zukunft des Föderalismus organisieren lassen. Krönings These: Während die Bundesregierung die Bundesländer - inclusive der ehemaligen DDR-Länder - offensichtlich am liebsten zu uniformen Verwaltungseinheiten müßten Sozialdemokraten umgekehrt auf eine „Revitalisierung“ des Föderalismus setzen. Kröning: „Angesichts europäischer Einigung und weltweiter Auflösung der Militärblöcke heißt die Zukunft der Demokratie 'Regionalismus und Pluralismus‘.“
Kröning selbst weiß: Die Zeit drängt. Nachdem die Bundesregierung bereits Vorgaben für fast alle verfassungsrechtlichen und organisatorischen Probleme der Einigung gemacht hat, bleibt nicht nur der DDR kaum noch Spielraum für eigene Anregungen. Auch den Ländern wird es schwer fallen, noch einen Fuß in die Diskussionstür zu setzen. Bremen allzumal. Nach den Erfahrungen in der Debatte um den ersten Staatsvertrag weiß Kröning: „Wir werden aus einer Position der Minderheit anfangen müssen. Aber anfangen, das müssen wir wenigstens“.
K.S.
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