: Völkisch ins einig Deutschland?
■ Zur Verfassungsgerichtsverhandlung über das Ausländerwahlrecht
Nach den letzten Aussagen führender CDU-Politiker wie Heiner Geißler war doch glatt der Eindruck entstanden, die multikulturelle Gesellschaft hätte an Schrecken verloren bei den christlichen Demokraten. Als am Dienstag vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht über das kommunale Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein und Hamburg verhandelt wurde, mußten die Beobachter jedoch erkennen: Das war wohl nichts. Die Vertreter der CDU/CSU -Bundestagsfraktion, die den Normenkontrollantrag gegen die Gesetzgebung der beiden Nord-Länder gestellt hatte, griffen tief in die Mottenkiste völkischen Denkens: Millionen von Türken, Kurden, Iranern und Jugoslawen werden schlicht ausgesperrt aus dem, was das Grundgesetz „Volk“ nennt egal, wie lange sie in deutschen Landen leben. Und da warf man den Landesregierungen von Hamburg und Kiel vor, „eine demokratiewidrige Fremdbestimmung“ gesetzlich zu verankern und „das demokratische Prinzip vom Fundament her“ zu beschädigen. Ziemlich schweres Geschütz in der Abwehr gegen Gesetze, die die Mitbestimmungsrechte von Ausländern in Deutschland so minimal verbessern würden, daß jede Kritik daran kleinstkariert wirkt.
Das Beste am Hamburger Gesetz war der Zeitpunkt von dessen Verabschiedung: drei Tage nach den Westberliner Wahlen, die die „Republikaner“ erstmals in ein Landesparlament brachten. Als politisches Signal - „unsere Antwort auf Berlin“, so seinerzeit Hamburgs Vizebürgermeister Ingo von Münch, FDP gegen immensen Widerstand von rechts durchgepaukt, unterstützten es auch linke und liberale Kritiker. Die Beantwortung der berechtigten Frage, warum jahrelang in Deutschland lebende und arbeitende Ausländer nicht auch über landes- und bundespolitische Geschicke mitbestimmen dürfen, wurde verschoben.
Der Union ist die Deutschlandeuphorie in den Kopf gestiegen - mit der fatalen Folge, daß das dermaßen eingeschränkte Ausländerwahlrecht nun als Nonplusultra gehandelt wird. In den letzten Monaten waren viele im Westen davon ausgegangen, die 16 Millionen DDR-Bürger am besten noch vor der Vereinigung beider deutscher Staaten nachdrücklich auf die Normalität der multikulturellen Gesellschaft hinzuweisen. Die über die ostdeutsche Ausländerfeindlichkeit besorgten Bundesbürger müssen umdenken. Auch im Westen herrscht Aufklärungsbedarf. Vielleicht hilft der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem für November angekündigten Urteil da ein bißchen nach.
Axel Kintzinger
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