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Mauern weiten sich weiter gen Osten aus

■ Verlagert sich die Mauer mit Aufhebung der innerdeutschen Grenzkontrollen an die Oder? / Für Bürger Polens ist die Rechtslage ungeklärt Deutsch-deutsche Fahndungsunion wird in Bonn beraten / DDR-Kriminalamt wird an BRD-Computernetz angeschlossen

Berlin (taz/dpa) - Die Gefahr, daß mit Aufhebung der innerdeutschen Grenzkontrollen die Mauern sich an die Oder verlagern werden, ist nicht gebannt. Zwar wurde seitens des Außenministeriums der DDR versichert, daß der heutige Rechtszustand weiter gelte. Das bedeutet, daß polnische Reisende in die BRD ein Geld und Zeit zehrendes Visum beantragen müssen, während Reisende in die DDR nur eine von der Volkspolizei abgestempeltelte Einladung benötigen. Mit dieser Einladung können sie sich künftig drei Monate in der BRD aufhalten. Aber: beide deutsche Staaten streben eine „Harmonisierung“ der Rechtslage an. Das bedeutet: Übernahme von BRD-Recht.

Wie alle Osteuropäer sind Polen aufgrund eines Alliierten -Erlasses aus den 60er Jahren bislang berechtigt, sich 30 Tage lang visafrei in Westberlin aufzuhalten. Dem DDR -Außenministerium nahe Kreise haben jetzt darüber informiert, daß die Bundesregierung bei den Westmächten darauf drängt, diesen Erlaß aufzuheben.

Die DDR steht unter dem Druck, das Schengener Abkommen zu übernehmen, das heißt als Außengrenze der Teilnehmerstaaten dieses Abkommens (BRD, BENELUX, Frankreich) zu funktionieren. Das bedeutet, daß künftig Reisende, die bisher visafrei in die DDR reisen konnten, nun ein Visum benötigen, weil für sie in der BRD bzw. den Benelux-Ländern und Frankreich Visumpflicht besteht. In den noch laufenden Auseinandersetzungen nimmt der Westberliner Senat eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits vertritt er einheitliche Regelungen, das heißt in der Praxis die Aufhebung der Westberliner und DDR-Bestimmungen, andererseits befürwortet er „liberale Regelungen“, das heißt die Aufhebung des Visumzwangs oder wenigstens den Wegfall der Devisen-Mindestsumme für Reisende.

Sollte sich die Bundesregierung mit ihren Vorstellungen durchsetzen, so wäre eine Aufteilung der Ost- bzw. Ostmitteleuropäer in zwei „Klassen“ die Folge. Auf der einen Seite stünden die Bürger der CSFR und Ungarns, die im „Schengener Raum“ und darüber hinaus in der EG visumfrei reisen dürften, auf der anderen die Polen und Rumänen. Eine solche diskriminierende Behandlung würde sich nahtlos in eine Politik einfügen, die im ehemaligen Osteuropa zwischen entwicklungsfähigen Staaten und solchen, die man auf das Niveau der Dritten Welt absacken läßt, unterscheidet. Die schon angekündigte Visumpflicht für Bürger Kubas, Vietnams und der Mongolei verschlechtert weiter die Lage der in der DDR arbeitenden Menschen dieser Nationalitäten, behindert sie doch den Zuzug von Verwandten und Freunden.

Was den Polizeibereich betrifft, beabsichtigt die Konferenz der Innenminister aus Bund und Ländern mit der DDR eng zu kooperieren. Ein „sicherheitspolitisches Netzwerk“ soll nach Vorstellungen des Innenministers Baden-Würtembergs Dietmar Schlee (CDU) bereits vor Vereinigung der deutscher Staaten angestrebt werden.

Ein Bündel ineinandergreifender Maßnahmen müsse geschnürt werden. Dies hätten die Festnahmen von RAF-Leuten in der DDR deutlich gemacht. „Schnellstmöglich“ sei eine deutsch -deutsche Fahndungsunion herzustellen. Das Zentrale Kriminalamt wird Zugriff zu BRD.Computernetz bekommen.

c.s.

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