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Heute im Cafe Grün: Videofilme von Lydia Schouten

■ Lacklippen, Sportwagen, Schlangenleiber

Vivaldimäßig orgelt ein Keyboard, vervollkommnet die schwermütige Traumstimmung der Bilder: In Zeitlupentempo winkt die nackt lagernde Blondine Männergestalten durch den Wasserschleier hindurch in die Grotte. Oder: Ebenso langsam winden sich Schlangenleiber durch Totenschädel in Großaufnahme. Schädel liegen auf dem Wasserspiegel im milchigen Tageslicht. Eine blonde Puppe schwimmt noch toter obenauf. Die Blonde steigt im Kleinen Schwarzen angstvoll zurückblickend die Wendeltreppe in die Gruft hinab, den kriechenden Schlangen nach, verfolgt von ihm. Ihr Gesicht in Großaufnahme bebildert die Vergewaltigung in Zeitlupe. „Violence is always in my head“ läuft als Bildtext, „no memories, just shadows and sensations of desaster.“

Lydia Schouten, einst Straßentheatermacherin, seit mehr als zehn Jahren Performerin und anerkannte Video-Künstlerin aus Den Haag, bebildert die Leere und die Verführung in der Warenästhetik des weiblichen Körpers. Zwischen Monroe, Deneuve und Dunhill-Träumen wandelt sie, die in allen ihren Videos die Hauptrolle spielt.

Nichts stört den Genuß ihrer Bildwelt, die so wohlvertraut verfremdet ist. Mit Perfektion halten Musik, Ton und Schnitt die Bewegungen und Farbkompositionen in rauschhafter Dehnung. Meist endet es im Aufgehen und Erstarren als Objekt der (fremden) Begierde. Die Frau sieht sich mit den selben Augen. In Schoutens Videos gibt es kein Außerhalb, keine „Befreiung“. Faszinierend ist, wie im Durchspielen der barocken Klischeewelt der Lacklippen und der Sportwagen eine eigene Welt entsteht. Am Ende liegt ihr Kopf vor dem Häuschen, vor dem Tempel, und im Salon tanzt vor den dekadenten Herren ein kleiner Nurejew im Satinröckchen den sterbenden Schwan. gür

Eine einstündige Auswahl von Lydia Schoutens Videofilmen wird heute um 21 Uhr von BlueBox im Cafe Grün gezeigt.

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