: Wo bleibt die Queen?
■ Ein Tennisturnier wartet auf seine Patronin
P R E S S - S C H L A G Wenn mir noch einmal einer erzählt, daß das Tennisturnier in Wimbledon seinen besonderen Reiz durch die Logenpräsenz des britischen Königshauses bekommt, werde ich mich schwer beherrschen müssen. Seit Tagen kurve ich kreuz und quer durch die Spielanlage, in mittlerweile verzweifelter Hoffnung, endlich einmal ein Autogramm von Elizabeth oder wenigstens von ihrem Sohn Charly zu bekommen. Aber weit und breit ist von den Kronjuwelen nichts zu sehen. Nicht einmal die königliche Doppelgängerin, die doch bei ziemlich jedem bundesdeutschen Dorffest ihre Aufwartung macht, läßt sich hier blicken. Das ärgert mich wirklich. Da kauft man sich für satte neun Mark das offizielle Wimbledon-Programmheft und liest gleich auf Seite 1: „Patronin des Turniers ist IHRE MAJESTÄT DIE KÖNIGIN.“ Schön, schön, nur: die Patronin ward hier bisher nicht gesehen.
Wenigstens der Präsident dieser Internationalen Tennismeisterschaften könnte ein wenig häufiger über das Gelände schlendern. Laut Programmheft, Seite eins, Zeile zwei, ist das ein gewisser „H.R.H. THE DUKE OF KENT, K.G., C.C.M.G., G.C.V.O., A.D.C.“ Dem fließt ja auch blaues Blut durch die Adern. Obwohl: dem Namen nach zu urteilen müßte der wohl eher etwas mit John Wayne zu tun haben und von einer Rundfunkanstalt, einer Cognac-Firma und einem Autoclub gesponsert sein.
Wenn das mit der majestätischen Abstinenz hier so weitergeht, werde ich mir wohl noch eins dieser fürchterlich langweiligen Tennisspiele anschauen müssen. Dazu bin ich ja nun wirklich nicht hergekommen. Ob Becker oder Lendl, Seles oder Graf in einigen Tagen als mentalste, älteste, jüngste oder miauendste Sieger und Siegerinnen in das Wimbledon -Geschichtsbuch Eintritt finden werden, ist mir ziemlich egal. Außerdem regt es mich einfach fürchterlich auf, daß diese Leute sich das Recht anmaßen, den schönen Rasen hier so kaputtzutrampeln. Auf den Spielplätzen sollte man Schilder aufstellen: „Ballspiele auf dem Rasen sind verboten.“ Oder so ähnlich.
Man stelle sich das einmal vor: Mehr als 240 Spielerinnen und Spieler laufen in diesen Tagen auf den 18 Tennisplätzen herum. Gut und gerne 238 von ihnen hauen nach dem verlorenen Match den Schläger in den Rasen. Und als ob das nicht schon genug des Unheils wäre, quält man das Grün mit sage und schreibe 7.651 Bällen, die hier in zwei Wochen verbraucht werden. Das hält doch kein Rasen aus!
1877, als das allererste Turnier hier in Wimbledon stattfand, hatte man noch Respekt vor der Natur. Wenn da mal der Spielball auf die Kuhweide nebenan fiel, suchte man noch gemeinsam, d.h.: beide Gegner zusammen, nach ihm. Selbst die 200 Zuschauer halfen damals mit. Da ging es noch richtig locker zu, schließlich gab es auch nur knapp 40 Mark Gewinnprämie. Zwar tauchte die hoheitliche Ururgroßmutter von Elisabeth, Queen Victoria, 1877 auch nicht beim Turnier auf, nur: da gab es ja auch kein Programmheft, das sie als Verantwortliche auszeichnete.
Heute gehe ich aber trotzdem wieder auf die Spielanlage. Wimbledon, dieser hübsche Stadtteil von London, ist nämlich während des Turniers aus Sicherheitsgründen an allen wichtigen Zufahrtsstraßen gesperrt worden. Schließlich will man hier die Spielerstars vor den insgesamt mehr als 400.000 Zuschauern aus aller Welt schützen und läßt sie mit 100 Limousinen auf geheimen Strecken einfahren. Da ist es doch denkbar, daß die Königin mit ihrem Pkw bislang gar nicht reingelassen worden ist, und sie, nach einigen Telefonaten, vielleicht schon heute nachmittag, ein wenig entnervt, aber freundlich, endlich in ihre Loge darf.
Ralf Stutzki
2. Runde, Frauen: Tauziat - Pfaff 6:2, 6:1; K. Malejewa Date 6:1, 6:4; Wiesner - Quentrec 6:3, 6:3; Magers Sawtschenko 6:3, 6:4; Devries - Harvey-Wild 7:5, 6:2; Gildemeister - Rajchrtova 6:2, 6:2; Grossman - Herreman 6:0, 6:2; Sabatini - Huber 6:2, 7:6; Nagelsen - van Rensburg 2:6, 6:4, 6:2; Tanvier - Ludloff 6:3, 6:4; Schultz - McQuillan 6:4, 3:6, 7:5; Navratilova - Smith 6:2, 6:1; McNeil Coetzer 6:3, 6:2, Frazier - Fairbank 6:4, 6:3; Zwerewa Fernandez 7:6, 6:4; Kschwendt - Etchemendy 7:6, 1:6, 6:0.
Männer: Lendl - Hlasek 6:1, 6:3, 6:0; Antonitsch - Leconte 2:6, 6:4, 7:6, 2:6, 6:3; Novacek - Rive 6:1, 6:4, 7:6; Bergstrom - Broad 4:6, 7:6, 6:2, 6:2; Pearce - Matsuoka 7:6, 7:5, 6:3; Srejber - Wöhrmann 6:2, 6:7, 6:3, 6:2; Pate Raoux 3:6, 6:2, 6:4, 6:3; Curren - Muller 6:7, 6:4, 7:6, 6:7, 6:4; Kratzmann - Jarryd, Aufg. Jarryd; Edberg - Mecir 6:2, 6:3, 6:2; Grabb - Chamberlin 6:2, 6:7, 7:6, 3:6, 6:3; Woodforde - Riglewski 6:7, 6:4, 6:4, 7:5; Courier Stoltenberg 6:2, 7:6, 6:3; Shelton - Bruguera 5:7, 2:6, 6:4, 6:4, 6:4; Mansdorf - Fromberg 6:4, 7:6, 6:1; Chang - Pugh 6:3, 6:2, 6:2.
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