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Schuldenkrise und Toupet

■ Für alle, die Fußball nicht nur im Fernsehen wollen: jede Menge Lesestoff

WIR LASSEN LESEN

Die Fußball-WM hat uns voll im Griff, 180 Stunden allein die umtriebigen Geister von ARD und ZDF, flankiert von Uwe Seeler in SAT1, Wiederholungen morgens und nachts. Und doch sind da immer wieder Momente der Sinnleere: Werbung, Nachrichten, spielfreie Tage oder einfach - Halbzeit. Keine Panik!

Die trostlosen Minuten lassen sich prima füllen, zum Beispiel mit dem neuen ila-Heft zum Thema Fußball, selbst wenn die Herausgeber durch ein abgrundtief bescheuertes Titelblatt und ein vom schlechten Gewissen verquastetes Editorial von der Lektüre abhalten wollen!

Der Inhalt: die Geschichte des Ballsports in Lateinamerika; Menotti, kettenrauchender Theoretiker des politischen Fußballs; Osvaldo Bayer über Kolonialismus und Fußball; warum sich Fans wie der Schriftsteller Eduardo Galeano vom Stadion abwenden, weil das Niveau des Spiels unerträglich wurde - die ganzen Stars kicken in Europa; der Fußball in Brasilien und in Uruguay; der dumme Mythos vom Fußballkrieg El Salvador - Honduras wird zurechtgerückt, uswusf.

Erfreulich unakademisch sind die Beiträge formuliert, die Schuldenkrise fehlt sowenig wie die krummen Beine des Dribblers Garrincha: nicht nur für LA-Fachkräfte. Bravo!

ila, Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, Juni 90, 4 D-Mark, zu bestellen: ila, Oscar-Romero-Haus, Heerstr.205, 53 Bonn 1.

Auch Norbert Seitz ist wieder da. In Bananenrepublik und Gurkentruppe hat er erstmals nach der Fußballweltmeisterschaft 1986 seinen manischen Trieb dokumentiert, enge Kausalitäten zwischen der Politik und dem Fußball zu entdecken, und mit einer Leidenschaft, mit der sonst nur Pfeifenraucher ihrer ekelhaften Passion nachgehen, hat Seitz seine bizarren Thesen bis heute fortgeschrieben. Wer's noch nicht kennt: höchst vergnüglich zu lesen.

Kohl & Maradona - Politik und Fußball im Doppelpaß, von Norbert Seitz, Eichborn Verlag (1990), 12,80 D-Mark.

Weniger Pfiff und Witz als Fleiß steckt im Fußball -Lesebuch, der Titel ist Programm, ein Rundumschlag zum Thema: Historie, Geschäftemacher, Fans, Medien, Gewerkschaft der Kicker etc. Und ein paar heitere Bonbons. Biedere Aufmachung einer soliden Fundgrube für solche, die ganz einfach mehr wissen wollen.

Fußball-Lesebuch, Jürgen Stark/Klaus Farin, rororo-Sachbuch (Juni 1990), 12,80 D-Mark.

Obacht: Neu überarbeitet, aufgelegt und durch die WM-Moritat „Neunzehnhundertsechsundachtzig“ ergänzt, wurde Das nächste Spiel ist immer das schwerste von Ror Wolf, ein Werk, das seit langem Legende ist - zurecht!!

Das nächste Spiel ist immer das schwerste, von Ror Wolf, Haffmans Verlag (1990), 15 D-Mark.

Selbst Nostalgiker werden bedient: Als die Ente Amok lief vereint zahllose Geschichtchen, Anekdoten und Porträts aus den ersten zehn Jahren der Bundesliga, liebevoll erzählt auf je zwei bis drei Seiten. Bilder von Igelköpfen, Mähnen, (Köppel mit Toupet), Schmalzlocken und langen Koteletten, wunderbar allein das Foto des hechtenden „Cassius“ Manglitz. Unabdingbar für all jene, die früher Sammelbildchen getauscht haben - oder das heute noch tun.

Als die Ente Amok lief, Ulrich Homann/Ernst Thoman, Klartext Verlag (November 1989).

Herr Thömmes

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