: Regenmacher oder Grabräuber
■ Eine Diskussion über Kultursponsoring in der DDR
Rechtzeitig zur Geldgleichschaltung unterhielten sich Ost und Westkulturmanager darüber, wie mit diskretem Charme nun auch im Noch-Osten die Kultur zum Gelde und umgekehrt dieses zu jener kommen könnnte.
„Olivenhaine, in denen Mogulkaiser Dreirad fahren. Verfluchte Kultur!„ (DaCapo
Daß diese Vision kulturellen Niedergangs für die DDR vielleicht bald zur Realität werden könnte, davor ist die Furcht dort groß. Fraglos, es könnte so kommen. Keinesfalls aber sollte es so kommen - jedenfalls vorerst nicht. Denn in der gegenwärtigen Krise setzt man gerade auf die Kultur als Medium der Bewältigung. Wie es also anstellen: ein Omelett bereiten, ohne Eier zu zerschlagen?
Das Password zu einer Art Zauberrezept geistert derzeit so epidemisch durch die DDR wie vormals die „Banane“. Nur daß es neben der Vielbegehrtheit jener ostattraktiven Exotin gleichzeitig tiefstes Mißtrauen zu provozieren scheint. Das Wort lautet Sponsoring.
Im Rahmen einer Tagung zum Thema „Kultur-Sponsoring“ hatte die Berliner Agentur für Sponsor-Promotion Time Code zu einer Podiumsdiskussion über „Chancen und Möglichkeiten für Kultur-Sponsoring in der DDR“ geladen. Unter der Gesprächsleitung von Prof. Roth, selbst Verfasser eines umfangreichen Buches über Kultur-Sponsoring, hatten sich Vertreter aus Kulturpolitik und Kulturmanagement der DDR sowie Volker Hassemer als erfahrungsschwangerer westlicher Kulturverwalter und gegenwärtig auch enger Berater des Kulturministeriums der DDR zu einem Meinungsaustausch zusammengefunden. Die völlige Abwesenheit von Repräsentanten der westlichen Wirtschaft, also der potentiellen Sponsoren, mag mißlichen Umständen oder einer unverständlichen Konzeptionen der Veranstalter geschuldet sein, gewiß hat sie nicht unbedingt förderlich auf die Resultate dieses relativ moderaten Brainstorming gewirkt.
Maecenas redivivus? betitelte Klaus Siebenhaar von der FU Berlin zuversichtlich seinen einleitenden Vortrag, in dem er in einem zusammenfassenden Überblick die Beschaffenheit der bisherigen DDR-Kultur sowie die aktuelle deutsch -deutsche Kultursituation skizzierte: Von der Ernüchterung nach erster Euphorie bis zu mittlerweile den Alltag prägenden Konfrontationen und Mißverständnissen sei es kein weiter Weg gewesen. Die Kulturlandschaft, für den jeweils anderen eine Terra incognita, führte zu einer babylonischen Sprachverwirrung, wo immer es um Kulturverständnis ging. Angst vor Identitäts- und Existenzverlust, vor dem Wechsel von der machtgeschützten Innerlichkeit des DDR-Kultopias zu Eigeninitiave und Risikobereitschaft, bestimmen heute die Oststimmung. Von besserwisserischer Diggermentalität oder vorauseilender Behutsamkeit ist die bundesdeutsche Reaktion durchsetzt.
Wie also - auch angesichts der Tatsache, daß Ost- wie Westkultur nur über eine schwache Lobby in Politik und Wirtschaft verfügen (sowohl im Staatsvertrag wie auch beim Deutschen Städtetag hat man auf die Abteilung Kultur von vornherein verzichtet) - ließe sich mit dem westerprobten Medium Sponsoring eine Kulturförderung in der DDR so überzeugend wie effizient und verantwortlich bewerkstelligen?
Behutsam gegen das McDonald's-Syndrom
Wesentliches Kriterium wäre Siebenhaar zufolge dabei vor allem die Berücksichtigung der anderen kulturellen Identität der DDR: ihr auratisches Kunstverständnis und wertkonservativer Gestus; ferner das sogenannte „McDonald's -Syndrom“ (Einschätzung des westlichen Kulturbetriebes als merkantilisiert und brutalisiert) sowie das ausgeprägte, mit Nachsicht zu behandelnde Alimentationsbewußtsein und schließlich ein ostspezifischer Qualitätsbegriff.
Mit der Empfehlung sorgfältiger Konzepte für eine zurückhaltende mäzenatische Unterstützung, vorrangig in allgemeinkulturellen Bereichen wie zum Beispiel Denkmalpflege, signalisierte Siebenhaar durchaus ermutigende Perspektiven für ein erfolgreiches gemeinsames Wirken von Westwirtschaft und DDR-Kultur. Daß Sponsoring ein knallhartes Geschäft von Leistungen und Gegenleistungen ist, damit werden die geldsuchenden DDR-Kulturellen eher zartfühlend konfrontiert. So war es nicht verwunderlich, daß in der neudeutschen Begriffsverwirrung Mäzenatentum und Sponsortum wild durcheinanderpurzelten.
Mit einem bemerkenswert übersichtlichen Katalog von drei Grundfragen eröffnete Gesprächsleiter Roth die Podiumsrunde.
Frage 1:
In welchen Bereichen ist die Förderung von Kunst und Kultur am vordringlichsten?
Von der Bestätigung der allgemeinkulturellen Bereiche mit einer gewissen Berücksichtigung auch der Alltags- und Ereigniskultur als „Sahnehäubchen“ (Günter Höhne, Kulturpublizist, Berlin/DDR) ging es über die Feststellung, daß DDR-Menschen wahrscheinlich kaum Interesse an einer kulturfördernden Erscheinung der Westwirtschaft hätten (wodurch für den Sponsor der Imagegewinn eher geringfügig wäre), sondern es ihnen vornehmich an einer „konkreteren Unternehmenspräsenz“ der Westwirtschaft gelegen sei (Jürgen Marten, Dozent an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee), bis hin zur Pointe Hassemers, daß Kultur-Sponsoring in der DDR vor allem durch eine von Verantwortlichkeit geprägte Präsenz zu leisten sei. Und damit meinte er konkret: Nicht ums Geldgeben für die Kulturproduktion gehe es, sondern um die (vorbidliche) Art und Weise, wie die Westwirtschaft in Erscheinung tritt. Und das reiche von der baulichen Gestaltung der Firmengebäude hin zu Werkszeitung und Betriebsfest. Eine primäre finanzielle Unterstützung der Kultur durch den Staat, auch in der DDR, sei aus seiner Sicht allerdings grundsätzlich unverzichtbar.
Die an dieser Stelle vorgebrachte Anregung eines Osttheatermanagers an die Adresse der DDR-Wirtschaft, doch auch selbst Sponsoring-Aktivitäten zu entwickeln, war, kaum ausgesprochen, auch schon wieder vom Tisch.
Frage 2:
Wie muß eine Förderung durch die Wirtschaft für die spezifischen Anforderungen der DDR beschaffen sein?
Der Feststellung, daß „die DDR noch meilenweit von einem postmateriellen Zeitalter entfernt sei“, folgte eine Empfehlung, man möge doch darauf achten, Kunst als Medium zur Bewältigung der tiefen geistigen und moralischen Zerrüttung, die derzeit in der DDR durchlebt wird, quasi zweifelsfrei zu halten (Müller, Journalist, Berlin/DDR). Das schien Hassemer entschieden zu sinnkritisch. Mit Nachdruck wies er die Beschreibung der Situation der DDR-Bürger als die einer einzigen Krise zurück und sah die Situation, mit all ihren Risiken, vor allem als Chance.
Frage 3:
Wie lassen sich potentielle Partner eines Sponsorships am besten zusammenführen?
Die Anregung, vielleicht durch ordnende politische Maßnahmen über den Appel hinaus Sponsoring verpflichtend zu regeln, fand wenig Zustimmung. Die Notwendigkeit umfassender Konzepte für erfolgreiche Sponsorships war jedoch allgemein unbestritten. Fraglich allerdings schien die Zuständigkeitsadresse für die Enwicklung und Präsentation solcher Konzepte. Während die einen zum Beispiel Sponsoring -Agenturen als Projektvermittler für durchaus akzeptabel hielten, sprachen andere ihnen die für eine solche Funktion vorauszusetzenden Qualitäten ab und wollten Vorbereitung und Angebot solcher in der Rgel langfristigen DDR -Kulturförderungsprojekte lieber in den Händen der DDR -Kommunen selbst sehen. Die Gemeinden seien nun einmal die wichtigsten in diesem Spiel. An ihnen sei es, kompetent Bestandsaufnahme zu machen. Kurzum: Genaue Listen auszuarbeiten und diese praktisch immer bereitzuhalten sei das A und O, wenn aus einem momentanen Desaster nicht womöglich ein Spiel der endgültig verpaßten Chancen werden soll.
Was mich überwältigend an den Katastrophenspezialisten und Sinndefizittherapeuten Kelp und seine lebensrettende List der Listen erinnerte. O-Ton Kelp: “...daß eine Liste für den Amateur das beste Ordnungsprinzip wäre, jeder Idiot kann Listen machen, Listen sind gewissermaßen die Urzelle der Ordnung“ (I. v. Kiseritzky, Das Buch der Desaster).
Ja, so könnte es vielleicht gehen; ein Omelette ohne zerschlagene Eier. Dann wird alles gut werden. Und man sitzt ja in der DDR auch schon längst nicht mehr einfach so da und wartet, daß einem geholfen wird. Wie man erfahren konnte, haben wendige DDR-Kelps bereits Crashkurse fürs Listenschreiben eingerichtet. So wird die Entwicklung von Projektplanung und -präsentation bald einen Qualitätsstandard erreichen, der jeden Grabräuber in den Regen stellt und Kultur-Sponsoring in der DDR, von schnöder kapitalistischer Profitstrategie befreit, zu einer so erstrebenswerten wie sinnfälligen Ehrensache adelt.
Christel Ehlert-Weber
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