Schweizer KDVler bittet DDR um Asyl

■ 27jähriger Künstler aus Zürich möglicherweise Präzedenzfall für Ost-Berlin / In der Schweiz keine Kriegsdienstverweigerung möglich / In der Bundesrepublik wurde ihm die Anerkennung als politisch Verfolgter verweigert

Ost-Berlin. Der Schweizer Kriegsdienstverweigerer G.P. Adam (Künstlername), 27, hat in der vergangenen Woche im Roten Rathaus einen Antrag auf Asyl in der DDR eingereicht. Er hält sich nun in Ost-Berlin auf und hofft, daß „ein Staat, der die Gewissensentscheidung gegen den Dienst mit der Waffe akzeptiert, einem Ausländer, der in seinem Heimatland dieses Recht nicht wahrnehmen kann, den Status eines politische Verfolgten zuerkennt“.

Die DDR muß sich nun kurz vor ihrer endgültigen Vereinnahmung durch die BRD möglicherweise noch mit einem Präzedenzfall in Sachen Flüchtlingspolitik herumschlagen. Zwar können Asylanträge nach Auskunft von amnesty international inzwischen bei den Volkspolizeikreisämtern abgegeben werden, Kriterien zur Anerkennung oder gar ein rechtsstaatliches Verfahren gibt es jedoch nicht. Im Unterschied zur Bundesrepublik haben politische Flüchtlinge in der DDR keinen Rechtsanspruch auf einen Asylantrag. Bislang ist die DDR trotz mehrfacher Ankündigung noch nicht einmal der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten. Adam hofft nun auf eine „souveräne Sichtweise“ der DDR-Behörden und wartet auf seine Anhörung im Ministerium des Inneren.

Im wehrhaften Volksmilizstaat Schweiz nämlich werden Kriegsdienstverweigerer nicht anerkannt. Sie kommen generell vor Gericht, müssen ethische oder religiöse Gründe glaubhaft machen, werden dann schuldig gesprochen und müssen danach zu einem paramilitärischen Dienst antreten. Der wiederrum ist eineinhalbmal so lang wie der Wehrdienst. Bevor diese liberale Regelung 1989 in Kraft trat, wurde ohne Ausnahme zu Gefängnistrafen von durchschnittlich 10 Monaten verurteilt und auch nicht wie heute auf einen Eintrag im Strafregister verzichtet. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international erkennt verurteilte Kriegsdienstverweigerer in der Schweiz weiterhin als „Gewissensgefangene“ an und fordert ihre umgehende Freilassung.

Der Kunstmaler und Bildhauer Adam ist seit seiner Einberufung 1986 und der Verurteilung zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe auf der Flucht durch Europa. Und dies a la Richard Kimble und sehr öffentlichkeitswirksam: Denn der Asylantrag in der DDR ist nicht der erste. So stellte er bereits 1987 als erster Schweizer in Essen einen Antrag auf Asyl in der Bundesrepublik und schob, als dieser abgelehnt wurde („keine asylrechtlich relevante Verfolgungsmotivation“), 1988 einen Asylantrag in den Niederlanden hinterher.

In Ost-Berlin plant Adam nun eine antimilitaristische Kunstausstellung, in deren Rahmen er das kunstinteressierte Publikum auch mit der militärischen Infrastruktur seines Heimatstaates bekannt machen will.

In seinem aktuellen Asylverfahren hat Adam vor allem Schwierigkeiten, qualifizierten Rechtsbeistand zu finden. Ein Westberliner Anwalt, der sich seiner Sache angenommen hat, hofft nun auch in der Noch-DDR tätig werden zu können. Adam trägt die ungewisse Zukunftsperspektive indes mit Fassung: „Als Präzedenzfall sollte man den nötigen Humor haben.“

anb/kotte