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Etappensieg für seichte Welle

■ Hessens Privatradio FFH kommt trotz journalistischer Mängel bei den HörerInnen gut an

Aus Frankfurt Thomas Eggeling

„Bis vor kurzem war nicht einmal Sekt im Haus“, erinnern sich Mitarbeiter des ersten hessischen privaten Fernseh- und Hörfunk Senders, Radio FFH. Das änderte sich, als die Ergebnisse einer, vom öffentlich-rechtlichen Hessischen Rundfunk (HR) und dem Privatsender gemeinsam in Auftrag gegebenen Medienanalyse bekannt wurden. Die so spät beschafften Getränke waren dann allerdings „auch noch warm“.

Das tat den Räuschen über das Abschneiden der Anstalt in Frankfurt-Rödelheim, die mittlerweile auch einen begehrlichen Blick nach einem südhessischen Fernsehfenster in Kooperation mit RTL geworfen hat, keinen Abbruch. Hatte doch der studierte Techniker und derzeitige FFH -Programmdirektor Hans-Dieter Hillmoth - vormals beim Hessischen Rundfunk und dem Privatsender „Sharivari München“ - vor dem Umfragestichtag, dem 22. April 1990, monatelang Blut und Wasser geschwitzt, bis er mit einem genialen Werbefeldzug „rüberkam“.

Wochenlang waren die jungen und jüngsten RadiomacherInnen Hessens unterwegs und verteilten Plastikaufkleber an Autofahrer: „Radio FFH - Wir kommen rüber.“ Dann lauerten sie an jeder Straßenecke im Funkwagen auf Menschen, die den Werbebepper tatsächlich massenhaft an der Heckschweibe ihrer Wagen befestigt hatten, um sie mit 100 Mark zu beglücken. Waren die auch nur halbwegs willig, wurden sie aufgefordert, sich freundlich über den Äther zu bedanken: „Äh, doll. Wirklich. Ich freu mich riesig. Ja, prima!“ Die Autokennzeichen der „Gewinner“ waren zuvor mit Fanfaren anposaunt worden: „Der Fahrer mit dem Kennzeichen xyz hat 100 Mark gewonnen! Unser Team ist hinter Ihnen. Fahren Sie bitte rechts ran!“ Rund 60.000 Mark kamen so unter die Leute. 1,1 Millionen Mark soll die “ Glückskleber-Aktion“ insgesamt gekostet haben.

Die Aktion zeigte frappierende Wirkung: etwa 20 Prozent der hessischen HörerInnen erreicht FFH pro Sendestunde - und das nach nur sieben Monaten Betriebstzeit. Die meisten Hörer registrierte die Umfrage am frühen Morgen. Sie sind aufgefordert, dem Sender das „Hörerwetter“ zu übermitteln: „Hier ist Annemarie H. aus Korbach. Bei uns ist herrliches Wetter, die Sonne lacht.“ Viel Anteilnahme auch beim Horoskop: „Waage. Stehen Sie sich heute nicht selbst im Weg.“

Zappendustere Stimmung dagegen beim Hessischen Rundfunk (HR). Der Verkehrsfunk von HR 3 rutschte von ehedem 36 auf 28 Prozent herab, HR 1 von 25 auf 15 und HR 4 von mageren 13 auf dürre elf Prozent. Dies ist möglicherweise eine Folge der Programmreform, mit der der Sender der privaten Konkurrenz durch Kürzung der Wortbeiträge hatte zuvorkommen wollen.

Der Hessische Rundfunk gratulierte FFH auf seine Weise. Handschriftliches aus der öffentlich-rechtlichen Anstalt hing eines Tages bei FFH am Schwarzen Brett: „Erfahrung schreibt man immer noch mit 'hr‘.“ Das wäre leicht zu schlucken, würde nicht ein bitterer Wermuthstropfen den Erfolg trüben. Christoph Lanz, bisher stellvertretender Programmdirektor bei FFH, hatte dem Sender vom journalistischen Zwergenwuchs zum aufrechten Gang verhelfen sollen. Nun hatte er schon vor der Umfrage das Handtuch geworfen.

Lanz, 30 Jahre alt und damit einer der ältesten Chefs bei FFH, kam vom Rias Berlin. Er verließ den Sender dieser Tage als freier Journalist wieder in Richtung künftiger Hauptstadt. An der redaktionellen Spitze bleibt, als stellvertretender Chef vom Dienst, ein gelernter Lehrer. Während Lanz noch für eine stärkere journalistische Profilierung stritt, soll sein Boß Hillmoth mehr als einmal erschreckten Jungmitarbeitern erklärt haben, wer Beiträge „journalistischer Art im Sender“ wolle, der sei wohl „falsch programmiert“.

Die hessischen Zeitungsverleger, Initiatoren und Geldgeber des Senders, störte das bisher offenbar wenig. Der von Lanz bekrittelte Mangel, den er nicht beheben konnte, bricht sich weiter Bahn. Da verwechselte eine Mitarbeiterin sämtliche judikativen Instanzen zwischen Festnahme und Haftbefehl und die Parteizugehörigkeit der Annemarie Renger konnte auch in einer „Blitzkonferenz“ der Nachrichtenredaktion nicht geklärt werden. Die Berichterstattung über die Volkskammerwahlen in der DDR, mit großem Brimborium und Beteiligung „unserer in- und ausländischen Korrespondenten“ angekündigt, bestand größtenteils aus Mitschnitten von Wahlsendungen von ARD und ZDF und deren Hochrechnungen. Zu später Stunde verzichteten die FFH-Moderatoren dabei fast völlig auf die Angabe dieser Quellen, aus denen sich das „Radio, das nichts kostet“ (FFH-Slogan) bediente.

Im Gegensatz zu anderen Nachrichtenredaktionen wählt der Nachrichtensprecher als FFH-Redakteur seine Meldungen stets selber aus. Die Meldungen aus dem Bundesland beschränken sich auf etwa zwölf Minuten pro Tag. Als einmal sämtliche Landeskorrespondenten nicht erreichbar waren, verkündete der Mann im Studio schlicht: „Ein ruhiger Tag in Hessen.“ Es folgte der Verkehrsservice. Zur gleichen Zeit sendete der Hessische Rundfunk eine Stunde lang „Unterwegs in Hessen“ mit reichlich Material und schob - wie immer - am späten Nachmittag eine zweite Ausgabe nach.

Selbst diejenigen, die FFH freudig eine Chance als Alternative zum gelegentlich doktrinären HR geben wollten, die CDU/FDP-Landesregierung, scheint sich langsam vom Sender zu trennen. Ministerpräsident Walter Wallmann, bei der FFH -Eröffnungsparty noch Ehrengast, gibt immer seltener FFH -Interviews.

Und wenn er doch mal in einer Sendung auftaucht, wie jüngst, als er den FFH-Stand zum Hessentag in Fulda aufsuchte, dann ist das quälend, denn Programmdirektor Hillmoth konnte sich eine Frage nicht verkneifen: „Konsumieren Sie denn auch FFH?“ Wallmann verkniff sich die Antwort und verwies diplomatisch „auf die Bedeutung des Radios im Allgemeinen“. Das hinderte Hillmoth nicht daran, den Ministerpräsidenten, der es sich mit dem HR jetzt vermutlich noch weniger verderben möchte als ehedem, in derselben Sendung weiter zu brüskieren. Er dankte Wallmann, der CDU und der FDP mit dem Schmelz der Rührung in der Stimme, sie alle hätten „schließlich dafür gesorgt, daß FFH überhaupt hat entstehen können“.

Aus hessischen CDU- und FDP-Kreisen ist inzwischen immer lauter zu hören, da habe man sich für den Verleger-Sender eingesetzt, extra ein entsprechendes Gesetz geschaffen, und nun komme man dort nicht einmal mehr selbst zu Wort jedenfalls genauso wenig wie alle anderen auch. Dafür aber gibt Erika Berger einmal wöchentlich unverdrossen Sex -Ratschläge.

Das Konzept geht auf: Minimaljournalismus und damit minimale Information der HörerInnen des Hörfunk-Winzlings mit seinen inzwischen knapp 60 MitarbeiterInnen. Dafür dürften die Werbeeinnahmen nach dem glänzenden Umfrageergebnis nun kräftig ansteigen.

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