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„GmbH & Co KG und so weiter“

■ Polizei durchsucht Firmensitz der Beletage GmbH / Bezirksamt vermutet Zweckentfremdung / Beletage-Chef Peter Braun: Immobilien in Schottland und Südafrika - aber Knast in Deutschland

Wilmersdorf. „Sie müssen doch wissen, wem Ihr Haus gehört?“ fragt der Reporter vom Radio ungläubig Martin Irrgang. Der befragte, feiste bärtige Mann in kariertem Anzug kommt vor der Wilmersdorfer Villa, die gerade durchsucht wurde, leicht ins Stottern. „Also, Eigentümer ist, wer im Grundbuch steht. Und das sind die Herren Wirts und Braun“, erzählt der Mann mit dem schlechtsitzenden Anzug. Und er erinnert sich auch, daß das Haus aber verkauft worden sei: „An die Beletage.“ „Welche Beletage?“ will der Reporter wissen. „Da gibt es mehrere. Die heißen alle Beletage Immobilien GmbH & Co 1. KG und so weiter“, antwortet Irrgang, der sein Geld als Beletage-Prokurist verdient.

„Empörend“ findet Uwe Szelag, AL-Baustadtrat von Wilmersdorf, den Zustand in dem alten Gründerzeitbau an der Magaretenstraße 10. Er hatte die Durchsuchung wegen des Verdachts auf Zweckentfremdung und Leerstand beim Amtsgericht beantragt. „45.000 Menschen suchen dringend Wohnungen, und hier wird Wohnraum einfach vernichtet“, stellt Szelag fassungslos fest.

Vor zwei Jahren hat die Villa mit Blick auf den Halensee den Besitzer gewechselt - für drei Millionen Mark, wie Mieter munkeln. Seitdem steht von den acht Wohnungen eine leer, drei andere wurden in Büros umgewandelt (für die Geschäftsleitung der Beletage). Ansonsten ist hier nichts passiert. Für Mieter, die noch während der Verkaufsverhandlungen aus dem Bau auszogen, soll eine zusätzliches „Kopfgeld“ von einer Viertelmillion vereinbart gewesen sein.

Baustadtrat Szelag möchte am liebsten sofort ein Zwangsgeld wegen Zweckentfremdung verhängen oder gleich einen Treuhänder einsetzen, der den Bau übernimmt. Besonders „dreist“ findet Szelag, daß die Wohnungen zweckentfremdet wurden, nachdem er es dem Eigentümer schriftlich untersagt hatte. Irrgangs Bauleiter hofft, daß es diese Gesetze „nur noch in dieser Legislaturperiode“ gibt. - Büroraum braucht die Beletage, die Baufirma expandiert. Hinter der Firmengruppe steckt Peter Braun, Schloßbesitzer in Schottland und Grundbesitzer in Südafrika. Er war Miteigentümer der ehemaligen Vogel/Braun-Gruppe, die inzwischen als Bellevue-Gruppe firmiert und ein Imperium von 200 Häusern beherrscht. Weil Braun es mit Steuernzahlen nicht so ernst nahm, wurde er 1985 zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und verkaufte seine Firmenanteile. 1987 wurde die Beletage gegründet, Braun war von Beginn an Kommanditist der einzelnen KGs, und in letzter Zeit ist er auch der Geschäftsführer einiger GmbHs.

Die Beletage und die mit ihr verbundene, etwas ältere Areal -Firmengruppe kaufen und modernisieren Häuser vornehmlich in Neukölln und Wedding - privat und teuer. Die Dachböden der Häuser werden in der Regel ausgebaut, auch teuer und meist gegen den Willen der Bezirke. Die Areal/Beletage brachte es zu gut 60 Häusern. Doch offenbar vertragen sich Areal -Gründer Klaus Nelle und Beletage-Braun nicht mehr. Die Beletage zog aus dem gemeinsam Büro in der Adolf-Martens -Straße 16 aus, quartierte sich in der Margaretenstraße ein.

Der händeringende Prokurist Irrgang ist Polizeiaufgebote sichtlich nicht gewohnt, Verordnungen schon gar nicht und will sich rausreden: „Wenn wir die Büroräume nicht nutzen dürfen, müssen wir in Container ziehen, und dann werden unsere 500 Wohnungen nicht gebaut, das ist doch ein Schaden für die Stadt.“ In der Margaretenstraße gebe es keine Zweckentfremdung, Ersatzwohnraum schaffe man im Dachgeschoß. Doch sein voreiliger Bauleiter verrät, was hinter der Absicht steckt: „Das Dach können wir locker vermieten, für 20 bis 30 Mark den Quadratmeter.“ Der Mietpreis wäre teurer als die Miete für die verlorengegangenen Wohnungen und die geschaffene Wohnfläche kleiner als vorher.

Schweitzer/Wildt

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