: Claqueure
■ Abgang eines Ministers
Paris (afp/ap/taz) - Der französische Tourismusminister Olivier Stirn, hatte eine fabelhafte Idee, um ein paar Dutzend Arbeitslose von der Straße zu holen. Ein von ihm organisiertes Symposium mit dem Thema „Hauptquartier des Fortschritts“, bei dem auch mehrere Minister als Redner auftraten, hatte am Montag ziemlich flau begonnen. Von den geladenen 5.000 Gästen waren am Vormittag ganze 37 erschienen, inklusive Reporter und Fotografen. Am Nachmittag waren dann nur noch zwanzig Zuhörer im Raum. Dienstag sah es zunächst genauso aus, aber dann war der Saal plötzlich brechend voll. Die Gäste klatschten bei jeder Rede der Prominenten begeistert Beifall. Doch exakt um 18.15Uhr, der Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevenement bestieg gerade das Podium, leerte sich der Raum plötzlich. Einer der Gäste sprach beim Verlassen des Saals einen Kameramann an und wollte wissen, wo er sich seine 300 Francs für die geleisteten drei Stunden Arbeit abholen könne. Dadurch flog die Sache auf: Anhänger Stirns hatten über eine Agentur ein paar Dutzend Arbeitslose als Claqueure engagiert. Regierungssprecher Louis le Pensec sprach von einem peinlichen „Ausrutscher“ und die Jugendorganisation der Sozialisten forderte Stirns Rücktritt. Dieser fühlte sich als ein Opfer der Medien und weder „politisch noch moralisch“ schuldig. Doch nach dem energischen Drängen von Premierminister Michel Rocard legte er schließlich am Mittwoch abend sein Amt nieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen