Wer zahlt für den Strukturwandel?

■ Tarifverhandlungen in der Metallindustrie werden nach Warnstreiks heute fortgesetzt

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Die Industriegewerkschaft Metall der DDR hat für heute wieder zahlreiche Warnstreiks in den Metallbetrieben des Tarifbezirks Berlin-Brandenburg angekündigt. Damit sollen die Forderungen der Gewerkschaft für die heutige Verhandlungsrunde bei den Tarifgespächen der Metallindustrie unterstützt werden. Am Freitag hatten nach Angaben der Gewerkschaft rund 120.000 Metaller für kurze Zeit die Arbeit niedergelegt.

Die Gewerkschaft fordert einen Teuerungsausgleich in Höhe von 400 DM, eine Absicherung gegen Kündigungen durch Umschulungs- und Qualifizierungsprogramme für zwei Jahre und die 40-Stunden-Woche. Die Arbeitgeber wollen dagegen nur 150 DM Teuerungszuschlag zugestehen und lediglich eine unverbindliche Empfehlung für Umschulungsmaßnahmen in den Tarifvertrag schreiben. Streit gibt es auch über die Laufzeit des ersten frei ausgehandelten Tarifvertrages in der DDR-Metallindustrie. Während die Gewerkschaft eine möglichst kurze Laufzeit zwischen drei und sechs Monaten anstrebt, um möglichst flexibel auf die Veränderungen der nächsten Monate reagieren zu können, wollen die Arbeitgeber keine Vereinbarung unter neun Monaten Gültigkeit unterschreiben. Es wird erwartet, daß die Verhandlungsführung bei den heutigen Gesprächen wieder bei dem Geschäftsführer der IFA-Autowerke, Heinzmann, liegen wird, der am letzten Dienstag von seinem Verhandlungsmandat zurückgetreten war, weil er sich angeblich von warnstreikenden IFA-Arbeiter unter Druck gesetzt fühlte. Heinzmann hatte in der Vorwoche eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung unterschrieben, die weitgehend den gewerkschaftlichen Forderungen entspricht. Er war daraufhin von dem westdeutschen Arbeitgeberverband Gesamtmetall, der wie die westdeutsche IG Metall mit am Verhandlungstisch sitzt, ins Gebet genommen worden und hatte seinen Rücktritt als Verhandlungsführer erklärt.

Die Verhandlungen in Berlin Brandenburg, die in der inzwischen zum „Congress-Centrum“ umgewidmeten ehemaligen FDGB-Zentrale am Märkischen Ufer in Berlin haben Pilotcharakter für die gesamte DDR. Der wichtigste Punkt dabei ist die Frage, wie der auch nach Meinung der Gewerkschaft notwendige Strukturwandel in den Metallbetrieben der DDR bewältigt werden soll. Vertreter der IG Metall (West) gehen davon aus, daß im Durchschnitt der DDR-Metallbetriebe rund 30 Prozent der Belegschaft „abgebaut“ werden müssen. Der Konflikt zu den Arbeitgebern besteht im „Wie“ des notwendigen Strukturwandels.

Das inzwischen auch in der DDR geltende Arbeitsförderungsgesetz erlaubt die Unterstützung von Umschulungsmaßnahmen durch Gewährung von Kurzarbeitergeld durch das Arbeitsamt. Die Gewerkschaft fordert entsprechend, alle „freigesetzten“ Arbeitskräfte in Umschulungs- und Qualifizierungsprogramme zu übernehmen. Die Betriebe sollen lediglich die Differenz zwischen den Zuschüssen des Arbeitsamts und den vollen Nettolöhnen in Höhe von rund 30 Prozent tragen. Diese Regelung, so die Gewerkschaft, sei für viele Betriebe wahrscheinlich kostengünstiger als die bei der Entlassung anfallenden Kosten für Sozialpläne und Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Die Arbeitgeber hatten Zustimmung bisher nur für solche Qualifizierungsprogramme signalisiert, die innerhalb des Betriebes stattfinden und auf die Bedürfnisse der betrieblichen Umstrukturierung zugeschnitten sind. Für jene Beschäftigten, die auf ganz andere Berufe außerhalb des Betriebes oder der Branche umgeschult werden, wollen die Betriebe keinen Pfennig locker machen.