RAF-Aussteiger sondieren Rückkehr

■ Die in der DDR inhaftierten RAF-Aussteiger könnten in bundesdeutsche Gefängnisse verlegt werden Bundesnachrichtendienst soll den konkreten Hinweisen auf die DDR nicht nachgegangen sein

Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Nach der Rückkehr der ehemaligen RAF-Frau Susanne Albrecht in die Bundesrepublik ist für die kommenden Tage auch mit Entscheidungen bei den anderen sieben in der DDR inhaftierten RAF-Aussteigern zu rechnen. Fraglich scheint nach Informationen der taz allein noch, ob sich die Gefangenen wie Frau Albrecht „freiwillig“ und ohne formalen Überstellungs- beziehungsweise Auslieferungsbeschluß der DDR -Gerichte den bundesdeutschen Behörden stellen oder ob sie auf einen solchen - juristisch fragwürdigen - Entscheid warten. Eine Auslieferung würde wegen der windigen Rechtslage mit hoher Wahrscheinlichkeit langwierige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen, die den Prozeß der deutschen Vereinigung um Jahre überdauern könnten.

Ob nach Susanne Albrecht weitere Gefangene auf die Möglichkeiten der Kronzeugenregelung zurückgreifen wollen, ist unklar. Zwar berichtete die 'Welt‘ in ihrer gestrigen Ausgabe, auch die in Neubrandenburg festgenommene Silke Maier-Witt habe gegenüber der DDR-Justiz Aussagebereitschaft signalisiert. Ob sie jedoch frühere Gesinnungsgenossen belasten will, geht aus den Informationen der Springer -Zeitung nicht hervor - auch wenn das Blatt diesen Schluß zieht.

Offenbar laufen gegenwärtig zwischen den Anwälten der Verhafteten und den Behörden in der Bundesrepublik „Sondierungen“, die eher auf das vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit Jahren propagierte sogenannte Aussteigerprogramm hinauslaufen, als auf die Möglichkeiten, die die Kronzeugenregelung gesprächigen Ex-RAFlern nach Abschluß der Ermittlungen bieten würde. Das BfV hatte in seinem Aussteigerangebot ausdrücklich auf jede „denunziatorische Lebensbeichte“ verzichtet.

Bei den Sondierungen könnte insbesondere geklärt werden, ob der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bei allen jetzt verhafteten ehemaligen RAF -Mitgliedern verjährt ist. Alle kamen um das Jahr 1980 in die DDR. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre. Daß die Gefangenen aus der DDR heraus weiter als RAF-Mitglieder aktiv waren, glauben auch die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden nicht. Der Vorwurf der Mitgliedschaft nach Paragraph 129a ist entscheidend für Ablauf und äußere Umstände der erwarteten Prozesse und die Haftbedingungen in der Bundesrepublik. Ohne den Vorwurf der Mitgliedschaft müßte den Angeklagten in „normalen“ Strafprozessen der jeweils individuelle Tatbeitrag nachgewiesen werden, was der Bundesanwaltschaft in den vergangenen RAF-Verfahren praktisch nie gelungen ist.

Unterdessen verdichten sich die Hinweise, daß Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz „exakten und zutreffenden Hinweisen“ über die Festgenommenen in den Jahren '85 und '86 nicht besonders ehrgeizig nachgegangen sind. Das Fernsehmagazin 'Monitor‘ zitierte gestern aus einem BKA-Bericht vom September 1986, das sich heftig über das mangelnde Engagement des BND bei der Überprüfung entsprechender Hinweise beschwerte. Vorausgegangen war die Aussage eines Übersiedlers, der gemeinsam mit Silke Maier -Witt eine medizinische Fachschule besucht hatte. Ein Sprecher des Kölner Verfassungschutzes wies die Vorwürfe des Fernsehmagazins zurück: Man habe stets alle Möglichkeiten genutzt, um Hinweise über RAF-Mitglieder in der DDR zu überprüfen.