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Unsicherheitsfaktor Polen

■ Größere Joint-ventures kann man an den Fingern einer Hand abzählen / Ausländische Investoren zögern / Komplizierte Eigentumsverhältnisse

Von Bachmann & Bien

Kann es einen Markt ohne Kapital geben? Kaum, Kapital ist schließlich der wichtigste Faktor in der Marktwirtschaft, die Kraft, die den Fortschritt treibt. Polen bleibt jedoch so ein besonderes Land, in dem sich ein Markt bildet, einstweilen aber ohne Kapital. Die einheimischen Reserven sind sehr bescheiden, und wahrscheinlich glauben deshalb soviele an die heilsame Wirkung von Auslandskapital. In Polen gibt es bereits über 1.200 Firmen mit ausländischer Beteiligung, aber ihr Anteil an der Produktion und an Dienstleistungen ist gering.

An den Fingern einer Hand kann man jene Joint-ventures aufzählen, die sich in Polen in größerem Umfang engagieren, meist handelt es sich dabei um Hotelbauten. Polen ist in den Augen vieler Ausländer immer noch ein wirtschaftlich unsicheres Land. Daher wäre das Auftauchen ausländischer Banken in Polen ein wichtiges Signal, daß es sich lohnt, hier zu investieren. Sie wären eine Art Magnet für andere Investitionen. Auch aus anderen Gründen wären sie willkommen - unter anderem deshalb, weil sie im Gegensatz zu polnischen Banken über Geld verfügen, richtiges, konvertibles Geld. Mehr noch: Sie können auch noch damit umgehen, was zweifellos belebend auf die einheimischen Banken wirken würde.

Es gibt natürlich auch die reale Gefahr, daß diese ausländischen Banken nicht nur im Interesse Polens, sondern vor allem in ihrem eigenen arbeiten werden: Polens Ausverkauf durch Westkapital drohe, heißt es in diesem Zusammenhang. Hinzu kommt eine polnische Besonderheit: 40 Prozent aller Joint-ventures wurden bisher von Unternehmern aus der Bundesrepublik und West-Berlin gegründet, vorzugsweise in Grenznähe: In Stettin, Wroclaw, Posen. Bei vielen Polen hat das Ängste geweckt, die Deutschen wollten auf diese Art und Weise ihre verlorenen Ländereien zurückkaufen. Zum großen Leidwesen von Ausländern dürfen Ausländer in Polen allerdings Land und Gebäude nur mit behördlicher Genehmigung kaufen, genehmigt wird so etwas nur in Ausnahmefällen. Ansonsten bleiben da nur Miete und Pacht, was zu kuriosen Problemen führen kann, zum Beispiel dazu, daß eine Firma auf gepachtetes Land ein Hotel baut, bis sie erfährt, daß derjenige, von dem sie pachtet, gar nicht der rechtmäßige Besitzer ist und vom tatsächlichen Besitzer dann eine Kündigung erhält.

Eines der großen Probleme für ausländische Investoren sind Polens Eigentumsverhältnisse - da bisher einfach alles staatlich war, hat sich niemand um genaue Abgrenzung bemüht. Durch die Wirtschaftsreform wurde es auch nicht einfacher: Sind Staatsbetriebe, die Aktien an Privatleute ausgeben, schon privat, auch wenn sich das Management nicht ändert und vor allem: gehört zu dem privatisierten Staatsvermögen auch der Grund und Boden, auf dem die Firma steht? Diese Unsicherheiten sind es, die große, seriöse Firmen von Investitionen in Polen abhalten.

Polen geht, verglichen mit Ungarn oder der Sowjetunion, einstweilen einen Mittelweg. Ab 1991 dürfen Joint-ventures den auf den ausländischen Partner entfallenden Gewinnanteil zu 15 Prozent auch dann ins Ausland transferieren, wenn er nicht durch Exporterlöse abgedeckt ist. Diese Bestimmung, daß nur Exportgewinne ausgeführt werden dürfen, sollte Polen vor Kapitalexport schützen. Ob sie ihren Zweck erreicht, ist zweifelhaft: Polnische Firmenberater wissen, daß man Kapital auch an den Behörden vorbei transferieren kann, indem man es als Löhne oder Zinsen deklariert und vermeidet, Gewinne im Sinn der Steuergesetze zu machen.

Inzwischen hat die Regierung verlauten lassen, sie erwäge angesichts der steigenden Devisenreserven eine Aufweichung der Beschränkungen für den Gewinntransfer. Bis jetzt besteht das Gros der ausländischen Investoren aus Kleinbetrieben und Mittelständlern, die häufig die vergleichsweise niedrigen polnischen Löhne ausnutzen und dafür auch bereit sind, ständig veränderte Zollbestimmungen und Wirtschaftsgesetze in Kauf zu nehmen.

Wirklich zufrieden ist mit diesem Zustand niemand: Die ausländischen Investoren beklagen sich über die Unsicherheit, die Regierung über das Desinteresse des Westens. Dabei steht Polen sowohl was den Umfang der Investitionen als auch was die Liberalität der Bestimmungen angeht nach Ungarn an zweiter Stelle in Osteuropa. In der Sowjetunion ist zum Vergleich dazu Kapitalexport überhaupt nicht möglich, an Joint-Ventures müssen Sowjetbürger oder sowjetische Betriebe beteiligt und die Geschäftsführung muß paritätisch besetzt sein. In Polen und Ungarn dagegen kann man auch Auslandsbetriebe gründen, die zu 100 Prozent in ausländischer Hand sind.

Allzuviel Freiheit kann der Gesetzgeber nicht gewähren, ohne Ausverkaufängste zu wecken, zu rigorose Regelungen dagegen schrecken ausländisches Kapital ab. Für viele westliche Großfirmen ist Polen vor allem als Absatzmarkt interessant - sie wollen nicht zusammenarbeiten und sich dabei womöglich künftige Konkurrenten heranziehen, sondern verkaufen, was den Vorteil hat, daß sie den Gewinntransferbeschränkungen nicht unterliegen.

Wie in Ungarn, wo der Verkauf mehrerer Parteizeitungen an den Springer-Konzern Schlagzeilen gemacht hat, wird daher in letzter Zeit auch Polen für westliche Pressekonzerne interesanter: Ein halbes Dutzend Angebote für Joint-ventures und Übernahmen polnischer Periodika wurde bereits bekannt. Hinzu kommen Interessenten in anderen Bereichen, die sich nicht für Polen selbst interessieren, sondern es als Tor zur Sowjetunion ansehen. Die allerdings ist in noch größerem Maß als Polen als Absatzmarkt - nicht als Kooperationspartner interessant.

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