: Peking-Geschäfte
■ Staatssekretär Lengl besucht China /Bonn für Normalisierung des Verhältnisses zu Peking Das Massaker von Tiananmen vergessen / Es geht um lukrative Aufträge für westdeutsche Firmen
Aus Peking Boris Gregor
Am liebsten, so schien es, hätte der Bonner Staatssekretär das Reich der Mitte ganz unter Ausschluß der Öffentlichkeit besucht - die Pekinger Korrespondenten versuchte er jedenfalls zu meiden. Siegfried Lengl vom Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hielt sich im verborgenen. Denn eigentlich existiert noch immer das nach dem Tiananmen -Massaker erlassene EG-Verbot für Treffen mit Pekinger Politikern auf hoher Ebene. Doch mehr als ein Jahr nach dem blutigen Ende des Pekinger Frühlings, bemüht sich die Bonner Regierung, das Verhältnis zu Peking zu normalisieren. Dies machte Entwicklungshilfestaatssekretär Lengl den Genossen auf seiner Reise nach Peking, Schanghai und der Provinz Fujian deutlich. Hintergrund: Die Bonner fürchten, bei einer Fortsetzung der Sanktionen könnten Unternehmen europäischer Länder den lukrativen Aufträge in China wegschnappen.
Während seiner zehntägigen Visite traf er auf erlauchte Mandarine, die es sich nicht nehmen ließen, den Bonner Gast zu hofieren. Sie demonstrierten so den chinesischen Bürgern, daß sie von ausländischen Regierungen zunehmend geachtet werden. Unter anderem traf Lengl Ministerpräsident Li Peng, mit dem er am Wochenbeginn, so die Nachrichtenagentur 'Neues China‘, die „weitere Entwicklung der Wirtschaftskooperation“ zwischen beiden Staaten diskutierte.
Konkret besprach Lengl unter anderem das von bundesdeutschen Firmen geplante 460 Millionen Mark teure U -Bahn-Projekt in Schanghai. Der Bau war in Frage gestellt worden, weil Bonn nach dem Tiananmen-Massaker den beteiligten Firmen die sogenannte Hermes-Bürgschaft verweigerte, mit der die Unternehmen ihre Kredite absichern können. Lengl stellte seinen Gesprächspartnern nun in Aussicht, daß die Bürgschafts-Sperre nach dem Wirtschaftsgipfel in Houston aufgehoben werden können.
Ähnlich hatte sich schon jüngst eine Unternehmer-Delegation aus der Bundesrepublik in Peking geäußert. Ihr Leiter, Heinrich Weiss vom BDI, versicherte den Chinesen, Bundeskanzler Kohl werde persönlich für die Freigabe der Hermes-Bürgschaften sorgen. Lengl sprach sich dafür aus, Entwicklungshilfe-Projekte wieder in Angriff zu nehmen, und überwies fünf Millionen Mark Erdbebenhilfe. Mit der Entwicklungshilfe, so der Staatssekretär, würden Kräfte in Peking stabilisiert, die für die Öffnungspolitik eintreten. Im Herbst soll es zwischen Bonn und Peking neue Verhandlungen über die westdeutsche Entwicklungshilfe an das Reich der Mitte geben.
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