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Stasi-Auflöser überprüfen Objekt-Listen

■ Staatliches Komitee zur Stasi-Auflösung bestätigt: angezweifelte Anschriften stehen bis heute im Computer

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - In Schweigen hüllte sich das Staatliche Komitee zur Auflösung des Stasi-Apparates, nachdem die taz vor knapp vier Wochen 9.251 Adressen ehemaliger Stasi -Objekte veröffentlichte. Die taz ließ alle 15 Anschriften von Objekten, deren heutige Nutzer sich beschwerten, überprüfen. Das Ergebnis: auch nach „neuesten Erkenntnissen“ des Komitees stehen diese Anschriften im Computer. Das teilte Pressesprecher Wendeler gestern mit und empfahl: „Wenn jemand meint, sein Objekt werde zu Unrecht in der Liste aufgeführt, sollte er sich an die bezirklichen Arbeitsstäbe des Komitees wenden. Nur dort sind Irrtümer aufzuklären“.

Konkret beschwert sowie „Richtigstellung örtlich und international“ verlangt hatten fünfzehn DDR-Bürger zwischen Boxdorf und Saßnitz. Bühnenbildner der Komischen Oper Berlin wollten wissen, wie ausgerechnet ihr Büro als konspirative Wohnung hat genutzt werden können. Zu dieser Frage hat das Staatliche Komitee eine zumindest plausible Hypothese: stapelweise fand man Unterlagen über Nachschlüssel. Es sei üblich gewesen, daß die Stasi sich nach Büroschluß Zutritt zu Räumen verschaffte. So mag es auch im Gebäude des Blinden - und Sehschwachen-Verbandes und des Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verbandes der DDR gewesen sein, „die zu keiner Zeit dem MfS unterstellt waren“. Gebäude können also auch ohne Wissen anderer Nutzer von der Stasi gebraucht worden sein.

Erstauntes Achselzucken bei den staatlichen Auflösern auch im Falle von Anschriften, bei denen infolge von Namens- und Hausnummeränderungen z. B. Das im Ort bekannte „Dienstobjekt“ nicht aufgeführt ist, stattdessen ein anderes Haus erwähnt wird. Restlos perplex sind die Herren, daß ein nicht mit Hausnummer versehener Bungalow, in dem ein früherer Cheftrainer des Stasi-Sportvereins wohnt, „noch nicht übergeben ist“.

Diese und andere umstrittene Fälle aufzuklären, ist Aufgabe des Staatlichen Komitees, dessen Mitglieder - entgegen der jetzt eingeräumten Unkenntnis - nicht müde werden, zu betonen, man besitze bereits „seit Monaten genaueste Kenntnis über die Objekte“. So sieht es auch die Regierungskommission, die Innenminister Diestel bei der Auflösung der Stasi berät. Deren Mitglied Fritz Peter: „Ich habe keine direkte Beziehung zu den Objekt-Listen, aber die Immobilien-Frage ist weitgehend abgeschlossen. Jetzt stehen ganz andere Aufgaben vor uns.“ Schwierigkeiten bei der Aufklärung von Problemen in den selbst erstellten Objektlisten sieht nun auch das Staatliche Komitee. Pressesprecher Wendeler: „Die Stasi-Abteilungen sind aufgelöst und die Akten sind auch nicht mehr so, wie sie mal waren.“ Gleichwohl hätten die Bürger Anspruch auf Auskunft, die bezirklichen Arbeitsstäbe des staatlichen Komitees seien verpflichtet, solche Auskünfte zu erteilen. Wie es aussieht, wenn man sich nur an ein Bürgerkomitee wendet, berichtete ein Leser: „Beim Bürgerkomitee Schmalkalden ist leider nichts zu erfahren, weil alle Stasi-Akten in Suhl bis auf weiteres 'eingemauert‘ werden“.

Der Liste der ehemaligen Stasi-Objekte kann bei der taz weiter bestellt werden. Gegen die Einsendung eines 5-Mark -Scheins im Briefumschlag erhält man ein Exemplar. Die Adressen: taz-Anbau-Verlag, PSF 146, Oberwasserstaße 12, 1080 Berlin/ DDR

oder:

taz, Postfach 610229, Kochstraße 18, 1000 Berlin 61/ BRD

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