piwik no script img

Baustadträte gegen Zentrale

■ Baustadträte aus Ost und West beklagen zentralistische Tendenzen / Bezirken fehlt das Geld für Mitarbeiterlöhne und Gebäudereparaturen

Berlin. „Wehret den Anfängen“, riet Neuköllns Baustadtrat Branoner (CDU) seinen Kollegen aus den Ostberliner Bezirken. Gegen die zentralistische Politik des Magistrats und gegen fehlende Mittel protestierten gestern acht Ostberliner Baustadträte aller Parteien außer der PDS mit Unterstützung dreier Westberliner Kollegen. „Wir erleben derzeit zentralistische Tendenzen wie bei der SED, als die ihre Hauptstadt ohne Rücksicht auf die Bezirke gestaltet hat“, sagte Lichtenbergs Baustadtrat Hirsch. „Was Nagel im Westen nicht richtig schafft, zieht er im Osten durch, und Thurmann und Kraft vom Magistrat nicken nur dann, wenn Nagels Mitarbeiter vorher genickt haben“, ergänzte Branoner.

Beispielsweise habe sie, so Kreuzbergs Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig (AL), ihren Vermessungsamtsleiter zur Unterstützung nach Prenzlauer Berg schicken sollen. Dort hätte er jedoch nicht dem Baustadtrat, sondern dem Magistrat unterstanden. Der Zentralismus im Osten habe auch Auswirkungen auf den Westen, denn auch dort würden den Bezirken nach und nach die Kompetenzen beschnitten. „Wir führen einen Kampf nicht unter Parteien, dazu sind die Probleme zu groß, sondern von unten nach oben“, meinte Frau Eichstädt-Bohlig. Zusätzliche Probleme bereitet es den Bezirken, daß die bezirklichen KWVs dem Magistrat unterstehen und nicht ihnen.

Die Bezirke werden aber auch finanziell „aus politischen Gründen knappgehalten“, beklagte sich Branoner. „Wir können unseren Leuten nicht einmal den nächsten Lohn zahlen“, meinte Eckehardt Baum aus Hohenschönhausen. Auch die Mittel, um etwa Schulen instand zu halten, seien nicht da. „Wir haben kein Geld, um eine kaputte Regenrinne oder ein Dach zu reparieren, dabei kostet es nächstes Jahr das Zehnfache, weil die Balken dann schon angefault sind“, sagte Mathias Klipp aus Prenzlauer Berg. Unter der SED bekamen die Bezirke einzelne Baumaßnahmen auf Bestellschein bezahlt, allerdings „nie genug“, so Klipp. Man wolle aber künftig einen eigenen Haushalt. Hohenschönhausen etwa hat 28 Millionen Mark angemeldet.

Außerdem habe man absoluten Einstellungsstopp, dabei könne man mit den vorhandenen Leuten - etwa halb soviel wie in den westlichen Ämtern - die Arbeit kaum bewältigen, schon deshalb, weil sie nicht genug qualifiziert seien. „Wir haben 260 Mitarbeiter, die Hälfte von ihnen für die Grünpflege, aber nur drei Architekten“, sagte Dorothee Dubrau aus Mitte.

Man könne nicht einmal Gutachten für einzelne Problemgebiete an freie Architekten vergeben, selbst dazu fehlten die Mittel, obwohl man mit etwa 250.000 Mark pro Bezirk für 1990 auskommen würde. „Dabei stehen die Investoren bei uns jetzt schon auf der Matte, und wir haben keinen Flächennutzungsplan“, meinte Baum.

esch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen