: Die Renaissance der Italiener
■ Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren trägt wieder ein Radprofi aus Italien das gelbe Trikot der Tour de France: Claudio Chiappucci / Die Spitzengruppe rückte zusammen
Berlin (taz) - Turbulent geht es weiterhin bei der Tour de France zu. Das schwere Bergzeitfahren der 12. Etappe über 33,5 Kilometer von Fontaine nach Villard de Lans wirbelte das Gesamtklassement am Ende der Alpen noch einmal kräftig durcheinander, ließ die Gruppe der Führenden näher zusammenrücken und brachte einen Wechsel an der Spitze.
Am Schluß saß der Franzose Ronan Pensec wie schon tags zuvor völlig erschöpft im Zielraum, japste nach Luft und goß sich hastig kalte Getränke in den Schlund. Doch hatte er in L'Alpe d'Huez noch vor Glück gestrahlt, weil er da gerade das gelbe Trikot verteidigt hatte, war er in Villard de Lans nicht nur von den Strapazen der Fahrt, sondern auch von bitterer Enttäuschung gezeichnet. Er hatte seinem harten Kampf auf der 11. Etappe schließlich Tribut zollen und die Führung in der Gesamtwertung an den Italiener Claudio Chiappucci abgeben müssen.
„Ich wußte, daß Pensec nach den Anstrengungen des Vortages Schwierigkeiten haben würde, also habe ich alles auf eine Karte gesetzt“, freute sich Chiapucci, der erste Italiener im gelben Trikot seit 15 Jahren. Zuletzt hatte es 1975 Francesco Moser getragen. Chiappuccis Coup ist ein neuerlicher Beweis für die erstaunliche Renaissance der italienischen Radprofis, die in diesem Jahr durch Giovannetti und Bugno bereits die Vuelta de Espana und den Giro d'Italia gewonnen haben. Claudio Chiappucci, ein exzellenter Bergfahrer, hat nun ausgezeichnete Chancen, das Triple vollzumachen und sich den Toursieg zu holen.
Doch auch seine härtesten Konkurrenten zeigten, daß mit ihnen noch zu rechnen ist. Zwar litt auch der Amerikaner Greg LeMond unter den Folgen von L'Alpe d'Huez, hatte auf den letzten Kilometern schwer zu rackern und wurde nur Fünfter, aber dafür trumpften der Niederländer Erik Breukink und der Spanier Pedro Delgado auf. Breukink gewann das Zeitfahren und schob sich auf den dritten Gesamtrang vor, Delgado wurde mit 30 Sekunden Rückstand Zweiter, holte wertvolle 26 Sekunden gegenüber LeMond auf und ist jetzt Fünfter.
In den Pyrenäen wird nächste Woche die wilde Hatz auf die beiden Führenden Chiappucci und Pensec einsetzen, die immer noch von dem zehnminütigen Vorsprung zehren, den sie auf der ersten Etappe in Futuroscope herausgefahren hatten. Vor allem LeMond kann nun unbeschwert angreifen, da sein Teamkamerad Pensec nicht mehr im gelben Trikot steckt. Aber auch Gianni Bugno, der Triumphator von L'Alpe d'Huez, und der Mexikaner Raul Alcala könnten noch einmal ins Geschehen eingreifen. Alcala gehört allerdings wie Breukink zum PDM -Team und müßte eigentlich jetzt für den Niederländer fahren, doch bei PDM, der am stärksten besetzten Mannschaft der Tour, nimmt man es mit solchen Dingen nicht immer allzu genau.
Breukink dürfte aber immerhin mit der Unterstützung seiner Kollegen Sean Kelly und Uwe Ampler rechnen. Ampler hatte sich auf der 12. Etappe für Alcala aufgerieben, der dann schließlich doch zurückfiel, am Schluß jede Menge Zeit eingebüßt, und war dann auch in Villard de Lans - sichtlich frustriert von den harten Regeln bei den Radprofis - weiter abgesackt. Mit fast neun Minuten Rückstand kam der so hoffnungsvoll gestartete DDR-Radler, eigentlich ein glänzender Zeitfahrer, nur auf den 159. Platz und fiel in der Gesamtwertung auf den 28. Rang zurück.
Matti
12. Etappe: 1. Eric Breukink (Niederlande) 56:52 Minuten; 2. Pedro Delgado (Spanien) 0:30 Minuten zurück; 3. Miguel Indurain (Spanien) 0:43; 4. Marino Lejarreta (Spanien) 0:54; 5. Greg LeMond (USA) 0:56; 6. Fabio Parra (Kolumbien) 0:58; 7. William Palacio (Kolumbien) 0:59; 8. Claudio Chiappucci (Italien) 1:05.
Gesamtwertung: 1. Claudio Chiappucci (Italien) 49:24,08 Stunden, 2. Ronan Pensec (Frankreich) 1:17 Minuten zurück, 3. Erik Breukink (Niederlande) 6:55, 4. Greg LeMond (USA) 7:27, 5. Pedro Delgado (Spanien) 9:02, 6. Raul Alcala (Mexiko) 10:44, 7. Gianni Bugno (Italien) 10:48, Claude Criquielion (Belgien) 11:23, 9. Marino Lejarretta (Spanien) 12:46, 10. Andrew Hampsten (USA) 23:58, ... 28. Uwe Ampler (DDR) 22:46, ... 92. Mario Kummer (DDR) 54:16, ... 100. Uwe Raab (DDR) 56:33, ... 116. Andreas Kappes (BRD) 1:01:02 Stunden, ... 130. Jan Schur (DDR) 1:07:3, ... 158. Olaf Ludwig (DDR) 1:26:01.
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