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Tja, die Franzosen - oder: Eine Nation als Erlebnisraum

■ Zum Nationalfeiertag, dem 14. Juli, verwandelte Paris sich in ein Gesamtkunstwerk / Nicht nur militärisch zeigte man sich in diesen friedensbedrohten Zeiten stark / Auch kulturell kam das Prinzip Force de frappe voll zum Tragen / Der Kehraus kommt später

Aus Paris Alex Smoltczyk

Sie ließen noch etwas an militärischer Disziplin zu wünschen übrig, die Schließmuskeln der Pferde von der Republikanergarde. So reihten sich zwei von ernst dreinschauenden Mitarbeitern der Pariser Stadtreinigung gelenkte grüne Kehrmaschinen in die stolze Parade ein, als sie sich der Nationalversammlung näherte.

Es war eben an alles gedacht an diesem 14.Juli, der wie immer und auch in dieser friedensbedrohten Zeit - na gerade jetzt! - mit waffenstarrendem Aufmarsch gefeiert wurde. Kettenschlagend und dieselprustend zog Frankreichs Heer am Staatspräsidenten vorbei, und selbst die Concorde-Brücke, vor langer Zeit mit Steinen der Bastille erbaut, erbebte in Ehrfurcht. Drei „Mirage„-Jäger bombten blau-weiß-rot. Vor den Tuilerien, wo am 18. Juni noch mittels eines „Bombennacht-Erlebnisraums“ dem Übervater de Gaulle gehuldigt wurde, transportierten schwitzende Rekruten Charlies Erbschaft, Raketen made in France. Freundlich applaudieren die Citoyens aus Baltimore und Köln-Zollstock: „Tja, die Franzosen...“

Einen Abbau des Bombenarsenals hatten Verteidigungsminister und Präsident rechtzeitig zum Fest noch einmal strikt abgelehnt. Doch da, ist das nicht... Aber ja doch: Auch die Fremdenlegion gibt es noch, jene Skinheads mit Pensionsanspruch. Braungebrannt sind sie, von der Sonne Gabuns, wo die Jungs im Mai für Ruhe und ein bißchen Frieden sorgten.

Abends fuhr Paris dann seine kulturelle Force de frappe auf und wagte den massiven Gigaschlag gegen all die verstaubten Akkordeonspieler längst vergangener Zeiten: Jean-Michel Jarre, dem megalomanen Keyboardartisten, war der gesamte westliche Teil der Stadt zur Verfügung gestellt worden, um zur Zerstreuung der Nation das endgültige Gesamtkunstwerk in Szene zu setzen. Was ihm auch gelang...

Wie Nordlicht eine Gletscherlandschaft, so tauchten computergestützte Laser-Projektoren die glatten Fassaden der bizarren Bürotürme von La Defense in Marinblau, Senfgelb, Blutrot, ließen gigantische Pinguine, Augen, Kalligramme wandern, während im Takt der Equinoxe zehn Tonnen Feuerwerk vom Dach des neuen Triumphbogens himmelwärts sprühten. Aus einer gläsernen Pyramide heraus (das muß jetzt Mode sein...) dirigierte der Meister Chöre und Steeldrummer, Laserkanonen und Pyrotechnik, Pauken und Kadenzen, wirbelte im roten Frack umher und bediente mit sakralen Handbewegungen eine Art Orgel, deren Tasten durch grünliche Lichtsäulen ersetzt waren. Dem Volk gefiel's. Auf der Avenue, die zum Arc de Triomphe führt, standen die PariserInnen dicht an dicht, staunten, wie „der das wohl macht“ und aßen gegrillte Würste.

Zwei Millionen Menschen sollen es gewesen sein, und auf Videoschirmen sahen sie dann auh den Synthie-Wagner, wie er mit seinen Bässen zwei Millionen Zwerchfelle zum Kribbeln brachte, vier Millionen Augen zum Himmel lenkte, auf dem Spots Ballett tanzten und die Raketen blühten. Kurz, es war groß, schön, bunt und laut - und nur die Mitarbeiter der Pariser Stadtreinigung saßen besorgt in ihren Kehrmaschinen und betrachteten ernst die Müllberge, die zwischen dem feiernden Volk emporwuchsen.

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