Neues Forum wehrt sich gegen „Riesenpimmel“

■ Baulöwe Bernd Bertram, 1986 verwickelt in den Westberliner Bauskandal, versucht seine Geschäfte in der DDR fortzusetzen / Seinem 200-Millionen-Mark-Hochhausturm für Dessau wurde bisher nicht zugestimmt / Ist Magdeburg Bertrams nächstes Ziel?

Von Eva Schweitzer

Dessau in Sachsen-Anhalt, gute 100 Kilometer von Berlin entfernt. Dessau: die Stadt des Bauhauses, das ist eine Mischung von Weltanschauung und Architekturakademie, dessen Gebäude, lichtdurchflutet und streng in Schwarz-Weiß gehalten, hinter dem Bahnhof liegt, nahe der gepflegten Idylle des Georgengartens. Dessau und das Bauhaus haben schon bessere Tage gesehen. Der Krieg hat große Lücken in die Stadt gerissen, die nur teilweise von Plattenbauten aufgefüllt wurden. Die Altstadt ist in DDR-üblichem Zustand: bröckelige Fassaden, holprige Straßen, die Geschäfte erinnern an die 50er Jahre.

So waren viele Dessauer freudig überrascht, als ein leistungsfähiger westlicher Investor der Stadt das sog. „City-Projekt“ anbot: ein Hochhausturm von 129 Meter Höhe aus Stahl, Glas und Beton inmitten kleinerer Bauten, vergleichbar mit dem Westberliner Bürohochhaus „Kreisel“ einer Investitionsruine der 70er Jahre, deren Baukosten bis auf 323 Millionen Mark stiegen, so daß Berliner Behörden schließlich dort einziehen mußten, weil niemand anderes es sich mehr leisten konnte. Der Name des Investors: Bernd Bertram.

18.000 Quadratmeter Nutzfläche hätte sein City-Projekt haben sollen für Büros von Banken, Versicherungen und Verwaltung, Restaurants, mit einer Tiefgarage mit 200 Plätzen, einer Kongreßhalle mit 2.000 Plätzen und einer Kostenmiete von sage und schreibe 80 Mark pro Quadratmeter, wie es Mitglieder einer Bürgerinitiative errechneten. Das übersteigt selbst Westberliner Büromieten bei weitem. Das ganze Ding sollte zunächst 200 Millionen Mark teuer werden und paßt nach Dessau so gut wie Daimler auf den Potsdamer Platz. Zunächst wurde das Projekt, das „die Stadt keinen Pfennig kostet“, so Bertram, an der Mulde geplant, einem Nebenfluß der Elbe in einem völlig unerschlossenen Gebiet. Dann schlugen Planer den innerstädtischen Busbahnhof als Standort vor. Als ein potentieller Mieter wurde das städtische Arbeitsamt gehandelt, für die finanzschwache Kommune bei diesen Kostenmieten völlig unrealistisch.

Nun ist Bertram in West-Berlin kein Unbekannter: Als einer der Initiatoren des Bauskandals, der 1986 mehrere Senatoren das Amt und das Land Berlin Millionenbeträge kostete, landete er danach für Jahre im Knast. Der 46jährige Bertram, ehemaliger DDR-Bürger, war bis 1972 NVA-Offizier in der Nähe von Cottbus. Nach seiner Flucht in den Westen stieg er ins Baugeschäft ein und wurde rasch zum Multimillionär. Er begann seine Karriere als Vermittler von Bauprojekten zunächst in Oberbayern. Bald konnte er sich einen Rolls Royce und einen Lamborghini zulegen, dazu kam eine Diamantensammlung und Villen in Österreich und den USA. 1981 begann er sich für das Baugeschäft in West-Berlin zu interessieren. Dort konnte man sich damals wie heute eine goldene Nase verdienen.

Bertram bot der Stadt ein Riesenprojekt an: 1.000 Wohnungen im Westberliner Vorort Rudow zu einem Festpreis von 130 Millionen Mark, für Berliner Verhältnisse relativ billig. Die Stadt spare Millionenbeträge, so Bertram, und vor lauter Begeisterung fiel es weder dem Bauausschuß noch den Fachbeamten auf, daß Bertram als Beweis für seine Qualität als Bauherr nicht eigene Baupläne vorführte, sondern die der Konkurrenz. Dafür half Bertram nach, wo es ging: So spendierte er dem zuständigen Mitarbeiter beim Bausenator, Siede, einen BMW, mit dem zuständigen Staatssekretär der Finanzverwaltung, Schackow, ging er in Amsterdam Diamanten einkaufen und teilte mit ihm ein Ferienhaus. Adolf Blasek, der Geschäftsführer der Land-Berlin-eigenen „Stadt&Land“, der das Baugrundstück gehörte, bekam von Bertram gar 220.000 Mark in bar auf den Nachttisch gepackt.

Das konnte Bertram sich leisten, denn sowohl von der landeseigenen „Stadt&Land“ wie auch von seiner Münchener Baufirma, der WTB, bekam er Provisionen in Höhe von etwa zwölf Millionen Mark. Das Wohnungsbauprojekt wurde letztlich um 30 Millionen Mark teurer als geplant, denn verschiedene Kosten, die im Festpreis mit drin sein sollten, wurden der Stadt&Land und damit dem Land Berlin nach und nach zusätzlich aufgebrummt, von der Kellerisolierung bis zu den Außenanlagen für Strom und Wasser. Dafür waren es zum Schluß nur noch gut 600 Wohnungen von deutlich schlechterer Qualität.

Ab Dezember 1985 ermittelte die Staatsanwaltschaft München gegen Bertram wegen Steuerhinterziehung. Im Juni 1986 berichtete die westdeutsche Illustrierte 'Stern‘ von den Schmiergeldzahlungen Bertrams. Bertram wurde festgenommen und 1987 in West-Berlin zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Schon 1989 kam Bertram wegen guter Führung wieder frei. In Berlin konnte er sich nicht mehr blicken lassen, zudem darf man in der BRD nach einer Verurteilung fünf Jahre lang keine GmbH-Geschäfte mehr führen. Über Monate hörte man nichts von ihm, bis er im Mai 1990 in Dessau wieder auftauchte. Sein Bruder war dort praktischerweise Direktor der Erweiterten Oberschule, ein honoriger Mann, was Bertram einen Vertrauensvorschuß gab. Bertram stellte sich im 'Anhalter Anzeiger‘ als „seit 20 Jahren in der BRD lebender Architekt“ vor und das besagte City-Projekt als „neues Wahrzeichen Dessaus“. Er forderte dazu „kein Wenn und Aber, sondern ein klares Ja oder Nein“.

Das klare „Ja“ kam zunächst vom Stadtbaurat Dirk Hoth, seit der „Wende“ im Amt. Vor der Wende hatte Hoth für das „Consulting-Büro“ im Westen gearbeitet, wo er Bauprojekte betreute, eine Stellung, für die ausschließlich jemand in Frage kam, der der SED nahestand. Bertram jedoch, so versichert Hoth, habe er aus dieser Zeit nicht gekannt, denn in West-Berlin sei er „kaum“ tätig gewesen. Ein klares „Nein“ erntete Bertram vom Dessauer Neuen Forum, von verschiedenen Bürgerinitiativen und den Leuten vom Bauhaus. In Flugblättern und auf Veranstaltungen machten sie Front gegen den „Riesenpimmel“, dem sie ein Ende als Investitionsruine voraussagten. Überhaupt sei solch „baulicher Größenwahn“ im Westen schon lange nicht mehr zeitgemäß.

Während sich Befürworter und Gegner des Projektes noch über städtebauliche Zusammenhänge stritten, sickerte nach Dessau so langsam das Gerücht durch, daß Bertram nicht unbedingt als seriöser Geschäftsmann einzuschätzen sei, ein Stück weit. Nach den Kommunalwahlen im Mai wurde Stadtbaurat Hoth abgelöst durch einen West-Import, den neuen Stadtbaurat Haag. Kurz darauf verschwand Bertram von der Bildfläche.

Der neue Rat der Stadt habe nun Informationen erhalten, so erklärte Hoth - der noch im Juli im Rathaus tätig ist, um die Amtsübergabe abzuwickeln -, auf die hin man dieses Projekt „erst einmal ausgesetzt“ habe. Zunächst wolle man eine „städtebauliche Gesamtplanung“ machen, vor allem, was die „Höhenentwicklung der Stadt“ angehe. Frühestens im September könne man eine Entscheidung treffen, ob und wo und mit wem man das City-Projekt realisiere. Über „Detailfragen, zum Beispiel über die Finanzierung“, werde man sich später unterhalten. Und eine Zusage habe Bertram ohnehin nicht gehabt. Aber „grundsätzlich muß gebaut werden, wir brauchen Investoren“. Ob er gehört habe, welchen Ruf Bertram in West -Berlin habe? „Ach, wissen Sie, man hat sicherlich diese oder jene Information in der Presse gehört.“

Ob Bertram in Dessau noch zum Zuge kommt, darf man bezweifeln. Aber gebaut muß auch woanders werden. Dem Vernehmen nach ist Bertram auf Tour: Er will versuchen, die Landeshauptstadt Magdeburg zu verschönern, mit einem City -Projekt, das wahrscheinlich wieder die Stadt keinen Pfennig kostet, wenn sie nicht gar Millionenbeträge spart.