: Tempo 30 auf der Kriechspur
■ Tempo 30 läßt in den meisten Wohngebieten auf sich warten / Senator Wagner (SPD) ist unzufrieden / Bezirke und Polizei sollen sich beeilen
West-Berlin. Nur mit Schrittgeschwindigkeit kommt sie voran: die flächendeckende Einführung von Tempo 30 in Wohngebieten. Das von SPD-Verkehrssenator Horst Wagner im Mai groß angekündigte neue Tempolimit ist für die meisten Westberliner immer noch graue Theorie. Der Verkehrssenator selbst äußerte sich gestern in einer Erklärung „unzufrieden“. Bislang seien die Schilder erst in 48 von 491 vorgesehenen Wohngebieten aufgestellt worden. In 95 weiteren Fällen liefen zur Zeit die Vorbereitungen.
Die Aussichten, daß Wagner mit dem Tempolimit in den Wahlkampf ziehen kann, sind trübe. In einem der taz vorliegenden Besprechungsprotokoll aus der Senatsverkehrsverwaltung heißt es sogar, daß die „Umsetzung der Maßnahme“ erst „Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein“ wird. Ursachen: Manche Bezirke hätten kein Geld für die Schilder, und die der Polizei unterstehende Straßenverkehrsbehörde verwahre sich strikt gegen allzu enge Terminsetzungen.
Auch Wagner machte gestern die Bremser in den Bezirken und bei der Polizei aus. Sie bleiben in Wagners Augen „aufgefordert“, die „wesentlichsten Teile der Konzeption bis zum Herbst dieses Jahres zu realisieren“ - so, wie es „ursprünglich vorgesehen“ gewesen sei. Die Rahmenbedingungen, so Wagner weiter, seien jetzt erfüllt: Die Bezirke seien vom Finanzsenator mit den versprochenen 4,5 Millionen Mark versorgt worden. Und auch bei der Polizei seien „geeignete Schritte“ unternommen worden, um das Verfahren „möglichst zu beschleunigen“. Tiefbauämter, Feuerwehr und Polizei sollten auf ihren Anhörungsverfahren künftig mehrere Zonen gleichzeitig behandeln, erläuterte Wagner-Sprecher Siegfried Keiluweit auf Nachfrage.
Polizeisprecher Müller wies die anfeuernden Rufe des Verkehrssenators gestern jedoch prompt zurück. „Am grünen Tisch“ ließen sich Tempo-30-Zonen zwar rasch ausweisen. In der Praxis müßten die Polizeibeamten jedoch jedes einzelne Gebiet zu Fuß abgehen, um „ganz genau“ nachzuprüfen, ob sich „der Bereich dazu eignet“. Müller verweist auf den Personalmangel seiner Behörde: „Das ist nicht wie am Fließband.“ So müsse geklärt werden, ob sich das generelle Prinzip, in den Tempo-30-Zonen alle Vorfahrtsstraßen aufzuheben, im jeweiligen Einzelfall verwirklichen lasse. Der Polizeisprecher mochte nicht einmal ausschließen, daß die Tempo-30-Pläne im Einzelfall zurückgenommen werden müßten, weil sie sich nicht realisieren ließen. Die Beamten müßten außerdem klären, ob bestehende Ampeln abgebaut und wo die neuen Schilder aufgestellt werden müßten. Die Polizei wolle sicherstellen, daß „jeder Verkehrsteilnehmer weiß“, daß er sich durch eine Tempo-30-Zone bewegt. Im Gegensatz zu Wagner wollte Müller keinen Termin für den Abschluß der Arbeiten nennen. „Schuldhaftes Verzögern“, beteuerte der Sprecher, werde die Polizei aber „nicht zulassen“.
hmt
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