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Ein zu hoher Preis

■ „Containment„-Politik zwang nicht nur die UdSSR in die Knie, sondern sie schwächte die Ökonomie der USA und ihre demokratische Kultur

DOKUMENTATION

1947 glaubte George F. Kennan, daß die Politik des „Containment“ (der Eindämmung) die Ausbreitung des Kommunismus verhindere. Verfolge man diese Linie über mehrere Dekaden, würde dies zu einem „Auseinanderbrechen oder einer graduellen Aufweichung der Sowjetmacht“ führen. Heute spielen sich Auseinanderbrechen und graduelle Aufweichung direkt vor unseren Augen ab. Die UdSSR wurde in ein Wettrüsten gezwungen, das ihre Ökonomie ruinierte, ihren Anspruch verfälschte, ein Arbeiterstaat zu sein und das wiederum viele von ihr entfremdete, die sich einmal moralische und ideologische Führung erhofften. Die Sowjetunion hat eine Niederlage erlitten, deren Ausmaß man kaum übertreiben kann. Umgekehrt hat der Westen einen diplomatischen, militärischen und ideologischen Sieg errungen, der den Containment-Apologeten recht geben und Kritiker rückblickend diskreditieren müßte.

Der globale Kampf gegen den Kommunismus schädigte die Demokratie

Doch es ist wichtig, sich zu erinnern, daß Kritiker des Containment - und dazu gehörte auch Herr Kennan ab Mitte der 50 Jahre - nicht nur wegen der Auswirkungen auf die sowjetische Gesellschaft besorgt waren, sondern vor allem wegen der Auswirkungen auf die USA selbst. Sie mögen vielleicht die Fähigkeiten des Westens unterschätzt haben, die UdSSR nach unten zu drücken. Sie lagen allerdings richtig mit der Annahme, daß ein einseitiger, engstirniger, globaler Kampf gegen Kommunismus die demokratischen Institutionen im eigenen Land schädigen könnte. Sie warnten, daß selbst wenn der Westen siegte, er bitterlich dafür zahlen müsse.

(Ganz zu Beginn des Kalten Krieges schrieb Walter Lippmann, „Containment“ würde die USA dazu zwingen, sich ein globales Netz aus Verbündeten aufzubauen. Um ihre Glaubwürdigkeit als Beschützer anti-kommunistischer Regime zu erhalten, wären die USA zu Polizei-Aktionen, ja zu regelrechten Kriegen gezwungen, um ihre nationalen Interessen zu wahren. Kein Beispiel hierfür ist besser als Vietnam, eine nationale Katastrophe, von der sich die USA nie richtig erholt hat.)

Die USA haben die korruptesten und repressivsten Regime in ihrem weltweiten Kreuzzug gegen den Kommunismus unterstützt. Sie haben sich mit den reaktionärsten Kräften der Dritten Welt verbündet. Kein Wunder, daß der nordamerikanische Koloß heute als Kolonialmacht betrachtet wird, dessen verbale Siegeszüge für Freiheit, Demokratie und soziale Reformen nicht ernster genommen werden können als die der UdSSR.

Ernste ökonomische Probleme durch US-Militärausgaben

Die Kritiker des „Containment“ haben auch immer darauf hingewiesen, daß dies ernsthafte Probleme in der amerikanische Ökonomie verursachen würde. Militärausgaben würden Investitionen für Industrieausbau oder -modernisierung absorbieren, die USA würden schwach im Export und immer verletzlicher bei Importen. Schaut man sich Nationen wie Japan und Westdeutschland an, die nicht durch hohe Militärausgaben belastet werden, dann beweist sich die Richtigkeit dieser Sichtweise. Längst haben sie die USA mit ihrer produktiven Kapazität überholt, haben Märkte übernommen, die früher durch amerikanische Exporte dominiert worden waren und sogar schon den heimischen US-Markt erobert.

Aber selbst die diplomatischen und ökonomischen Kosten des „Containment“ berühren nur die Oberfläche. Viel tiefere Wunden hat der Kalte Krieg in der amerikanischen Gesellschaft hinterlassen. Die Fixierung auf das Externe führte dazu, innenpolitische Reformen völlig zu vernachlässigen. Es entstanden geheime Polizeiorganisationen, Bürgerrechte wurden unterminiert, die politische Streitkultur verkümmerte zugunsten des überparteilichen Konsenses. Entscheidungsfindung konzentrierte sich auf die Exekutive. Die Geheimnistuerei rund um exekutive Aktionen, Lügen als akzeptierte Form amerikanischer Politik - all dies entwuchs direkt oder indirekt aus dem Kalten Krieg.

Kalter Krieg: Zeitalter politischer Dinosaurier

Der allerschlimmste Effekt ist aber, daß das Vertrauen in die Regierung unterminiert, die öffentliche Kultur geschwächt und die hochsensible Struktur des Vertrauens zerstört wurden, alles Dinge, von denen öffentliches Leben abhängt. Wenn der Westen den Kalten Krieg gewonnen haben sollte, dann kann man nicht unbedingt sagen, daß die USA die Früchte dieses Sieges mitgenießen können. Wahr ist, daß sowohl die USA als auch die Sowjetunion sich gegenseitig zerstört haben.

Mittlerweile gehört der Kalte Krieg dem Zeitalter politischer Dinosaurier an. Eine vergangene Zeit, als die Erde von zwei monströsen Mächten dominiert wurde, die beide von sich behaupteten, sie würden rivalisierende ökonomische und politische Konzepte verkörpern und seien so leicht voneinander zu unterschieden wie Scharz von Weiß. Die Wahl zwischen beiden - selbst die abstrakte zwischen Sozialismus und Kapitalismus - interessiert heute den Rest der Welt überhaupt nicht mehr.

Christopher Lasch

Der Autor lebt in Amerika. In Kürze erscheint sein Buch „The True and Only Heaven: Progress and its Critics“ (Der wahre und einzige Himmel: Fortschritt und seine Kritiker). Wir entnahmen den Beitrag der 'New York Times‘ vom Freitag, den 13.7.Übersetzung: Andrea Seibel

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