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Konjunktur läuft beängstigend gut

Bonn (dpa/taz) - Die Konjunktur in der Bundesrepublik läuft nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit wie geschmiert. Der am Montag veröffentlichte Konjunkturbericht liest sich wie eine Hymne an die (west)deutsche Wirtschaft. Im achten Jahr des Aufschwungs zeige sie „ungebrochene Vitalität“ und biete die besten Voraussetzungen dafür, „daß die DDR aus der katastrophalen Lage herausgeführt werden kann“. Das Preisklima in der Bundesrepublik wird insgesamt trotz der Hochkonjunktur als „weiterhin günstig“ eingeschätzt. Deutlich anziehende Preise gebe es dagegen in der Bauwirtschaft, wo die steigende Nachfrage an die Kapazitätsgrenzen stoße. Bei den Verbraucherpreisen sei die Bundesrepublik „zusammen mit den Niederlanden, Dänemark und Japan das preisstabilste westliche Industrieland“, heißt es. Erneut wird die DDR gemahnt, Hemmnisse bei der Gründung neuer Unternehmen und Widerstände gegen Neuansiedlungen schnell zu beseitigen. Wichtig sei, daß die Beschäftigungschancen in der DDR nicht durch „lohnpolitische Fehlentscheidungen“ beeinträchtigt würden, heißt es verschämt, um dann deutlicher zu werden: Lohnanhebungen verschlechterten die Wettbewerbsfähigkeit der DDR-Betriebe, lösten zusätzliche Arbeitslosigkeit aus und beeinträchtigten die Startbedingungen. Während das Ministerium der Bundesrepublik einen „regelrechten Beschäftigungsboom“ bescheinigt, prophezeit es der DDR ein „erhebliches Maß“ an Arbeitslosigkeit. Etwa 15 Prozent der Gesamtbeschäftigten (rund 1,4 Millionen Personen) seien als verdeckt arbeitslos anzusehen. Es werde „zu einer Bereinigung dieser unproduktiven Scheinbeschäftigung kommen“, schrieb das Ministerium. Im Juni lag die Zahl der Arbeitslosen in der DDR nach DDR-Angaben bereits bei 142.100. In der BRD waren im Juni 1,8 Millionen Menschen ohne Arbeit. Damit wurde der niedrigste Junistand seit acht Jahren erreicht.

In der Bundesrepublik sind die Auftragsbücher der Industrie „prall gefüllt“. Die Produktion laufe weiterhin „auf hohen Touren“, die Stimmung in der Wirtschaft sei „hervorragend“, die Konsumnachfrage „rege“, jubelt das Ministerium. Auch der Einzelhandel registrierte im April/Mai real sieben Prozent mehr Umsatz als ein Jahr zuvor. Im Warenhandel mit dem Ausland ergab sich in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ein Überschuß von 56,5 Milliarden DM - um 300 Millionen höher als 1989.

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