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Ihr Taze - ich Kralle

■ betr.: "Die Gurke des Tages: Der Kanzler", "Editorial" von Axel Kintzinger, "Fußball ist bistabil

betr.: „Die Gurke des Tages: Der Kanzler“, (Seite 3), „Editorial“ von Axel Kintzinger, (Seite 2), „Fußball ist bistabil“, (Medienseite), taz vom 10.7.90

Jetzt habt Ihr's geschafft. Jetzt habt Ihr's endlich geschafft, daß ich für Helmut Kohl so etwas wie Sympathie empfinde. Das verzeihe ich Euch nie. Ihr Taze - ich Kralle.

Herrn Thömmes‘ delirierende Schilderung von „22 nackten, nassen, dampfenden, tobenden Männern, die mit Champagner spritzen“, ist so widerwärtig, daß dagegen der „Kloß im weinroten Jackett“ eine beinahe würdevolle Figur macht. Bedenkt doch, daß Eure AbonnentInnen, die diese Zeitung zum Frühstück lesen, diese Mahlzeit auch bei sich behalten wollen. Das ist aber mit 22 nackten, nassen, dampfenden, tobenden Männern, die einem Champagner ins Frühstücksei spritzen, ausgeschlossen. Wo bleibt Euer Verantwortungsgefühl für unsere Magennerven?

Noch was ist mir aufgefallen:

Dem Axel Kintzinger ist es tatsächlich gelungen, in fast jeden ranzigen Fettnapf der Leitartikler zu tappen, mit all den Füllseln wie „darf nicht vergessen werden“, „mögen sie“ und „wie auch immer“. Nur „füglich“ hat er ausgelassen, dafür werden wir fürs Zuendelesen mit einem „faktisch“ belohnt. Die normative Kraft der Idiotie reißt eben auch Leitartikler mit, die gerade.

Oder wie nennt Ihr es, wenn einer zuerst eine Menge Fragen stellt, die in all ihrer Abgeschmacktheit keinem Menschen außer ihm selbst eingefallen sein können, nur um uns dann einen ebensolchen Wust blöder, ungereimter Antworten aufzutischen? Zum Beispiel sollen Linke, Intellektuelle und das Bürgertum - eine wahrhaft aparte Koalition - endlich aufhören, auf den betrunkenen, randalierenden Fußballfans deutscher Nation rumzuhacken, denn „sie (die Fans) bereiten keine Neuauflage von Auschwitz vor. Im Gegenteil“, schreibt er - aufgepaßt, jetzt kommt das Gegenteil: „Im Getenteil. Sie pfeifen auf die Straßenverkehrsordnung...“

Tja, das hätten sie wissen sollen, unsere Eltern und Großeltern: einfach öfter mal ein Parkverbotsschild mißachtet, und kein Massenmord weit und breit.

Und schließlich die Medienseite:

Der Autor von „Fußball ist bistabil“ hat in mehr als zweifacher Hinsicht den Halt verloren und taumelt zwischen Frontberichterstattung, fünftklassigen Apercus und schwülen Vergleichen herum. Da macht es auch nichts mehr aus, daß ein paar Zeilen krassesten Unsinns nicht eindeutig als Zitat aus der 'FAZ‘ ausgewiesen sind. Taz-Gestammel und 'FAZ'-Geseiere gehen nahtlos ineinander über.

Ich habe mir überlegt, ob ich nur deshalb so verstimmt bin, weil ich die Sportereignisse nicht regelmäßig verfolge und deshalb den Stil dieser Berichterstattung nicht gewöhnt bin. Die WM-Beiträge der Toten Hosen habe ich allerdings immer gelesen und die Berichte von Werner Raith; aber die verschlinge ich sowieso immer, egal, worüber er schreibt.

Über das nächste Fußball-Spektakel und dessen Auswirkungen sollten sich nur Frauen äußern. „Fachmännische“ Berichte haben wir genug gehabt und lehnen sie wegen Befangenheit ab.

Karin Scheuthle, Stuttgart/BRD

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