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„Nicht auf Markt-Selbstlauf bauen“

■ RWI: Kurzfristig weniger positive Aussichten für DDR / 60 Milliarden DM West-Aufträge

Essen (ap) - Die Nachfrage aus der DDR wird BRD-Unternehmen nach Einschätzung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) bis Ende nächsten Jahres zusätzliche Aufträge im Wert von 60 Milliarden Mark bringen. In ihrem am Mittwoch in Essen veröffentlichten Konjunkturbericht sagten die Wirtschaftsforscher ein Wachstum des Sozialprodukts um „reichlich vier Prozent“ im laufenden und von „knapp 3,5 Prozent“ im kommenden Jahr voraus. Die Inflationsrate werde im nächsten Jahr wahrscheinlich auf 3,5 Prozent steigen.

Weniger positiv beurteilte das Institut allerdings die kurzfristigen Aussichten für die DDR. Die aus der Einführung der Marktwirtschaft resultierenden Wachstumsimpulse werden dort nach Einschätzung der Wirtschaftswissenschaftler erst im kommenden Jahr wirksam werden. Ausdrücklich warnten die Wirtschaftswisssenschaftler davor, in der DDR „allein auf einen Selbstlauf der dort entfesselten marktwirtschaftlichen Kräfte zu bauen“.

Öffentliche Hilfen der Bundesrepublik zum Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur seien unverzichtbar, betonte das RWI. Um die Akzeptanz für den Wandel zur Marktwirtschaft zu erhalten, sei außerdem eine soziale Absicherung des Anpassungproszesses „besonders notwendig“. Nach Schätzungen des Instituts dürften sich die bundesdeutschen Finanzhilfen zur Steigerung der Wirtschaftskraft der DDR und zur Bewältigung von sozialen Übergangsproblemen in diesem Jahr auf knapp 30 Milliarden Mark, 1991 auf rund 45 Milliarden Mark belaufen.

Deren Finanzierung durch Kreditaufnahme am Kapitalmarkt gehe „an die Grenze dessen, was ohne Gefährdung von Stabilität und Wachstum finanzierbar erscheint“. Sollte der Finanzbedarf größer werden, seien Einsparungen im Haushalt oder höhere Steuern angemessen. Dabei sei im Interesse der Geldwertstabilität die Erhöhung der Einkommens- und Gewinnbesteuerung einer Mehrwertsteuererhöhung vorzuziehen.

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