: Eßt Bananen, wo sie wachsen
„Habt Ihr Eure Regierung verjagt, um Bananen kaufen zu gehen?“, las ich neulich ein Toiletten-Graffiti. Die Banane, die in der BRD aufgrund einer EG-Vereinbarung zollfrei eingeführt wird und daher hier so billig ist wie in keinem anderen Land Europas, hat mehr als jede andere Frucht die deutsche Frage bewegt. In der Nacht des Triumphes der DDR -CDU am 18.März zog Otto Schily provokativ eine Banane aus der Jackentasche: den Wahlsieger.
Nach außen sind alle hier zu kaufenden Bananen gleich, Einheitslänge und Einheitsgelb, aber einige wenige Menschen bestimmen über sie, und viele zahlen bei ihrer Herstellung und Vermarktung drauf. Drei Konzerne kontrollieren 70 Prozent des Weltmarktes; United Brands hält mit ihrer „Chiquita“ in Europa allein einen Marktanteil von 43 Prozent, gefolgt von Standard Fruit mit „Dole“ und von Del Monte.
Jetzt setzen diese Konzerne zum Sprung auf den ostdeutschen Markt an: Wenn 16 Millionen DDR-Bürger den bundesdeutschen Jahresverbrauch von 14 Kilo pro Kopf erreichten, wären das 224.000 Tonnen im Jahr, eine Steigerung des Welthandels um rund 2,8 Prozent.
Gerade zur rechten Zeit also kommt aus der Süd-Nord-Reihe des Lamuv-Verlages ein kleines Büchlein über die Banane, herausgegeben von Ursula Brunner und Rudi Pfeiffer. Es war allerdings schon geschrieben, bevor die Banane die ungeahnte politische Aufmerksamkeit erhielt, und zwar aus der Perspektive der Dritten Welt.
Die Geschichte der Banane ist eine Geschichte des Kolonialismus. Sie kommt nämlich gar nicht aus Amerika, sondern aus Südostasien, wo sie seit zweieinhalbtausend Jahren angebaut wird. Die Portugiesen pflanzten sie 1402 auf den Kanarischen Inseln an, und ein Spanier brachte 1516 einige Wurzelstöcke nach Mittelamerika. Zunächst bereicherte sie nur den Speiseplan der Einheimischen - auch heute ist die bei uns wenig bekannte dickere Kochbanane in Lateinamerika ein Grundnahrungsmittel und macht immerhin 80 Prozent der Weltbananenproduktion aus.
Doch im Zeitalter der Konzerne und Kühlschiffe wurde die Banane zur Welthandelsware. Nun wurden der Urwald Mittelamerikas gerodet, um Plantagen anzulegen, die Regierung von Guatemala gestürzt, weil sie bei einer Landreform der United Fruit Company Land wegnehmen wollte, die Plantagen in Costa Rica „gewerkschaftsfrei“ gemacht, damit die Löhne niedrig bleiben. Nur zehn bis 15 Prozent des Preises, den wir für Bananen zahlen, fließt in die Taschen der Plantagen- und Transportarbeiter.
Wie wäre es daher beim nächsten Einkauf statt mit einer „Chiquita“ etc. mit einer „Turbana“ von unabhängigen Produzenten aus Kolumbien oder einer „Bonita“ von ecuadorianischen Produzenten oder mit einer Nicaragua -Banane?
Wer allerdings genießen will, sollte dort Bananen essen, wo sie wachsen und noch schmecken, wo es statt der gleichmäßig geformten und gleichmäßig geschmacksneutralen Importbananen noch die wahre Banane gibt: krumm, klein, aromatisch und zuckersüß. Zum Beispiel auf den Kanaren, doch man muß sich beeilen: Bis 1993, wenn der gemeinsame EG-Markt stehen soll, hat Spanien den Kanaren noch die Abnahme von Bananen garantiert. Danach werden die drei Obst-Riesen das kanarische Bananengeschäft kaputtdumpen, und dann wird der Urlaub auf Gomera anders schmecken.
Ulfried Geuter
Ursula Brunner&Rudi Pfeifer (Hrsg.): Zum Beispiel Bananen. Lamuv-Verlag, Mai 1990, DM 7,80
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