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Zoff auf der VW-Hauptversammlung

■ Wenig Freude nach Rekordgewinn / Kleinaktionär: 2,5 Milliarden DM Spekulationsverluste

Aus Berlin Jan Lerch

Die Freude über den mit einer Milliarde bisher höchsten Gewinn in der VW-Geschichte währte auf der gestrigen Aktionärs-Hauptversammlung nur gut 40 Minuten. So lange nämlich dauerte die Rede des Vorstandsvorsitzenden Carl H. Hahn.

Unterstützt von einer riesigen Videoleinwand, die mit Schlagzeilen, Grafiken und Bildern die Hahnschen Bilanzierungen des Jahres '89 untermauerte, erläuterte Hahn vor den über 4.000 TeilnehmerInnen Ausmaße und neueste Schritte des VW-Imperiums: Vor den Bildern des 9. Novembers wurde die Fünf-Milliarden-Investition in das neue VW-Werk in Mosel bei Zwickau in der DDR verkündet. Dort sollen einmal 250.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert werden. Schon jetzt ist VW in Europa die Nummer eins vor Fiat. Diese Stellung soll jetzt im östlichen Europa ausgebaut werden. Neben dem Engagement in der DDR führt der Vorstand gegenwärtig Gespräche in der CSFR, um mit dem im RGW-Raum führenden Automobilproduzenten Skoda ins Geschäft zu kommen.

„In den 80er Jahren konnten wir unsere Produktion von zwei auf drei Millionen Fahrzeuge steigern, in den Neunzigern werden wir auf die vier Millionen zugehen“, verkündete Carl Hahn. Er setzt weiter ungebrochen auf Wachstum. Zwar taucht im Geschäftsbericht ein Sonderbericht „Umweltschutz“ auf, doch werden die Umweltprobleme nicht im anhaltenden Autoboom gesehen: „Die Aufgabe für Politik und Wirtschaft lautet, den Stau, nicht aber das Automobil zu beseitigen.“

Die Gewinnerwartung für das laufende Jahr wird wohl nach unten korrigiert werden müssen. Zwar drückte sich Hahn um klare Aussagen, doch leidet das VW-Geschäft in Brasilien und Argentinien nicht nur unter den radikalen Wirtschaftsmaßnamen der neuen Regierungen, sondern auch unter Streiks. Der Vorstandsvorsitzende verteidigte - sonst ein vehementer Anhänger des Freihandels - die Exportquotenbeschränkung, die die EG kürzlich gegen japanische Auto-Importe erlassen hat. Es werden nach Ansicht Hahns auch in Zukunft „weitsichtige Übergangsregelungen“ mit Japan nötig sein, um Störungen der Wirtschaft wie beispielsweise mit den USA zu vermeiden.

Doch danach ging's nur noch um eins, um den VW -Devisenskandal, der 1987 aufgeflogen war und in diesem Jahr zur Verurteilung ehemaliger VW-Devisenhändler geführt hatte. Der Kleinaktionär Jörgen Jensen versucht seit Jahren herauszufinden, inwieweit die Devisengeschäfte direkt vom Vorstand in unverantwortlicher Weise in Auftrag gegeben worden sind. Jensen meint herausgefunden zu haben, daß durch die Devisengeschäfte dem Konzern nicht 500 Millionen, sondern zwischen 1981 und 1987 zweieinhalb Milliarden DM Verluste entstanden sind. Schon im Dezember 1981, behauptet Jensen, habe die Bundesbank VW aufgefordert, Geschäfte in solchen Größenordnungen zu unterlassen, da die Geldpolitik der Bundesbank damit konterkariert würde.

Jensen benötigte mehr als anderthalb Stunden, um seine Vorwürfe zu erläutern. Der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Liesen - gegen ihn und andere aus der Unternehmensleitung laufen inzwischen Strafanträge von Jensen - versuchte seinen Opponenten mehrfach durch Redezeitbeschränkungen aus dem Konzept zu bringen. Auch das Auditorium suchte durch „Aufhören„-Rufe, Jensen zu unterbrechen - bis zum Redaktionsschluß vergeblich.

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