piwik no script img

Tony Williams‘ TrommelArt

■ Drumstick-Zauber vom Meister in der Schauburg / Die Gruppe hielt wacker mit

Er fing ganz einfach an: mit einem Trommelwirbel auf der snaredrum, der zu pulsieren begann, lebendig wurde und sich in winzigen Nuancen veränderte - zugleich minimalistisch und hochkompliziert . Dann kamen die anderen Trommeln und Becken dazu und Tony Williams rauschte in das erste seiner vielen fulminanten Drumsoli hinein; aber das waren eigentlich schon keine Soli im herkömmlichen Sinne mehr. Das waren Kompositionen fürs Schlagzeug, genau ausgefeilt und arrangiert; weit entfernt von den angeberischen Trommelhageln,

die andere „Superdrummer“ ihrem Publikum zumuten.

Auch wenn das Quintett spielte, blieb Williams im Mittelpunkt. Es kann kein leichter Job für seine vier jungen Mitmusiker sein, mit ihm auf der Bühne zu stehen, denn auch bei ihren schönsten Soli hörte das Publikum nur mit einem Ohr mit. Williams spielte immer so energiegeladen und spannend, daß sich Augen und Ohren kaum von ihm fortreißen konnten.

Aber die Band stemmte sich souverän gegen den Riesen, der die rechte Hälfte der Bühne aus

füllte. Dieselbe Gruppe spielte schon vor etwa zwei Jahren in der Schauburg und ist inzwischen viel besser geworden. Damals sah es fast so aus, als würde Williams die vier noch sehr jungen Musiker einfach von der Bühne trommeln. Die Band wirkte wie eine Collegeausgabe des legendären Miles Davis Quintett. Jetzt sieht der Trompeter Wallace Rony zwar bei günstige Licht immer noch aus wie der junge Davis von alten Photos, aber die vier haben sich ihre Hälfte der Bühne solide erstritten.

Die respektvollen Blicke zu Williams sind noch die gleichen, und er bleibt der uneingeschränkte Boss, der erst direkt vor dem Einsatz der Band sagt, welches Stück gespielt wird. Aber die Soli von Rony, Saxophonist Billy Pearse, Bassist Ira Coleman und Pianist Mulgrew Miller sind jetzt eigenständiger und können auch für sich bestehen.

Die Intensität und Ernsthaftigkeit der Musiker übertrug sich aus Publikum: Man spürte, daß die fünf so gut und konzentriert spielten, wie sie konnten, und das Publikum mußte ebenso genau zuhören, um die akustischen Köstlichkeiten herauszuhören, die auf der Bühne kredenzt wurden. Der klassische Mainstream Jazz der Gruppe war alles andere als easy listening music, gehörte aber ohne Frage zum Aufregensten, daß in diesem Jahr in Bremen zu hören war.

Schade nur, daß nicht mehr Bremer es hören wollten. In der Schauburg blieben viele Plätze unbesetzt. Es macht schon nachdenklich, wenn bei einer abgehalfterten Astrud Gilberto die Massen strömen und Tony Williams fast ausschließlich für seine Bremer Musikerkollegen spielt. Quality doesn't pay !

Willy Taub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen