: Sekt und mehr
■ Ein Buch führt durch Berlins Nachtleben
s gibt Verlage, die bringen Druckwerke heraus, die man glatt verbieten sollte. Zum Beispiel einen kritischen Führer durch Kneipen, Cafes, Bars und Discos, einen, der auch noch stimmig ist. Für Touristen ist das natürlich eine Fundgrube, für manch Einheimischen allerdings auch, man kann ja schließlich nicht alles kennen. Aber müssen unsere Oasen des Nachtvergnügens durchaus auch noch publik gemacht werden? Als wären die Etablissements nicht sowieso schon voll genug.
Nichtsdestotrotz ist es den Autoren von „Berlin zwischen Sekt und Selters“ gelungen, die bislang ausführlichste, wenn auch nicht vollständige, Beschreibung der Kneipenszene Berlins zu Papier zu bringen. Für jede Örtlichkeit gibt es eine ganze Seite mit detaillierten Angaben zu Publikum, Preisen, Angebot und Atmosphäre. Sektgläser werden wie andernorts Kochmützen verliehen (sechs Stück davon sind die höchste Auszeichnung), nach durchaus nachvollziehbaren Kriterien. Was natürlich nicht mitaufgenommen werden konnte, war der „In-Wert“ der jeweiligen Kneipen. Aber das funktioniert sowieso nach Mustern, die nicht nur nicht zu durchschauen sind, sondern auch noch im raschen Tempo wechseln. Kurze Texte zu jeder Kneipe versuchen etwas Atmosphäre wiederzugeben, manchmal sehr treffend, manchmal auch etwas schwammig und allzu subjektiv formuliert, was dem übrigen Informationswert allerdings keinen Abbruch tut.
Bedauerlich nur, daß auch die Ost-Berliner Kneipenszene ausführlich Platz findet. Bedauerlich deshalb, weil wir West -Berliner hofften, hier noch unserer eigenen Entdeckerfreude (ohne Touristen) frönen zu können. Aber auch hier ist zähneknirschend zuzugeben, daß die Autoren einen exzellenten Kennerblick bewiesen haben.
Ein Trost bleibt: Meine Lieblingskneipe ist nicht erwähnt. Dafür sei Verlag und Autoren aufs herzlichste gedankt!
Berlin zwischen Sekt und Selters - Der kritische Führer durch Kneipen, Cafes, Bars und Discos. Ausgabe 1990/91. Hrsg. von Thomas Schweer, Silke Kluckert, Gisela Sonnenburg. ars vivendi verlag, Cadolzburg 1990, 320 Seiten, 16,80 DM.
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