Dissidenten beschuldigen Botschaften

■ Kubanische Oppositionelle: USA, Kanada, BRD und CSFR für „Botschaftskrise“ verantwortlich / Bonn nennt Vorwürfe „völlig absurd“ / Spanisch-kubanische Beziehungen auf dem Nullpunkt angelangt

Havanna/Bonn/Madrid (taz/afp) Fünf zum Teil prominente kubanische Dissidenten, die sich derzeit in Haft befinden, haben die Botschaften der Bundesrepublik, Kanadas, der Tschechoslowakei sowie die Interessenvertretung der USA in Havanna beschuldigt, die Botschaftskrise auf Kuba initiiert zu haben. Sie stützten damit die Behauptung der Regierung von Präsident Fidel Castro, bei der Botschaftskrise habe es sich um eine „geplante Provokation“ gehandelt.

In einer Sondersendung des kubanischen Fernsehens beschuldigten die Dissidenten speziell den Ersten Sekretär der bundesdeutschen Botschaft in Havanna, Peter Schaller. Er habe die Idee entwickelt, daß Kubaner in ausländische Vertretungen flüchten und dort um politisches Asyl bitten sollten. Hanns Schumacher, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, wies am Freitag in Bonn die Vorwürfe, die „jeglicher Grundlage entbehren“, zurück. Als „völlig absurd und haltlos“ bezeichnete er Berichte, wonach Kubanern angeblich Geld für ihre Ausreise angeboten worden sein soll.

Bei den Dissidenten handelt es sich um die beiden seit März inhaftierten prominenten Führer der Partei für Menschenrechte (PDH), Tania Diaz Castro und Carlos Roberto Pupo, sowie Lazaro Cabrera und Carlos Novoa von der Vereinigung für Freie Kunst (APAL) und Jorge Mari Becerra vom Kubanischen Christdemokratischen Komitee (CCDC). Die 51jährige Diaz Castro, die im März wegen „Delikten gegen den sozialistischen Staat“ inhaftiert worden war, beschuldigte den deutschen Diplomaten Schaller, er habe ihr und Lazaro Cabrera bereits im März vorgeschlagen, in Gruppen von 10, 15, oder 20 Personen in die kanadische Botschaft einzudringen und um Asyl zu bitten. Nach Angaben der Dissidenten war der Plan mit der US-Diplomatin Ana Evans und sowie ihrem früheren Kollegen William Brenciek abgesprochen.

Lazaro Cabrera, der zu den Besetzern der tschechoslowakischen Botschaft gehörte und nach seiner Aufgabe festgenommen wurde, erklärte seinerseits, die Flüchtlinge seien in der Botschaft von Geschäftsträger Jan Domok praktisch mit offenen Armen empfangen worden: „Er hat uns quasi zum Bleiben aufgefordert.“ „Die Botschaft steht euch zur Verfügung“, sagte Domok laut dem Dissidenten. Novoa erklärte mit resignierter Miene: „Wir sind in eine Falle gelaufen.“ Nutznießer der Aktion seien die USA, die Bundesrepublik und die CSFR gewesen.

Unterdessen ist die spanische Botschaft in Havanna zu einer Festung geworden: Mitglieder der spanischen „Schnellen Eingreiftruppen Geo“ haben dort Stellung bezogen und werden von außen durch kubanische Polizisten unterstützt. Durch diese drastischen Maßnahmen soll nun die Flucht von weiteren Kubanern in das Gebäude verhindert werden. Gleichzeitig sind die spanisch-kubanischen Beziehungen auf den Nullpunkt gesunken: Für den heutigen Samstag wird der spanische Botschafter „zu Konsultationen“ in Madrid erwartet.

Die spanische Regierung hat am Donnerstag beschlossen, sämtliche Kooperationsabkommen und Wirtschaftshilfen für die Karibikinsel einzufrieren und erreicht, daß sich die Europäische Kommission der Maßnahme anschloß. Mitglieder der Regierung klappern in diesen Tagen ihre Kollegen aus den einzelnen EG-Ländern ab, um mit ihnen ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen.

Auslöser für die heftige Reaktion der Spanier, die sich gern als Brückenpfeiler der Europäischen Gemeinschaft nach Lateinamerika darstellen, war eine diplomatische Note aus dem Außenministerium in Havanna. Sie wandte sich gegen den spanischen Außenminister Francisco Fernandez Ordonez, der bezüglich der Krise in Kuba geäußert hatte, Fidel Castro werde sich hüten, die Pforten des Landes zu öffnen. Die kubanische Note war nicht nur unfreundlich gehalten, sondern traf außerdem noch spanische Hühneraugen. Ordonez leide wohl an einem Anfall historischer Amnesie, heißt es darin, denn „nur so sind die Beurteilungen, Warnungen und Klagen zu verstehen, deren Paternalismus an die Edikte der Generalkapitäne erinnert, die im Auftrag der spanischen Majestäten über Kuba herrschten“. Ordonez sei ein verängstigter Kolonialverwalter, heißt es weiter. Au, das schmerzt eine ehemalige Kolonialmacht, vor allem mitten in den Vorbereitungen zur 500-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas.

In Spanien herrscht Konsternation über die heftige Reaktion der Kubaner. Die wirtschaftlichen Sanktionen, die nun beschlossen wurden, werden zwar keine desaströsen Auswirkungen haben, jedoch droht Kuba mit der spanischen Regierung ihren besten europäischen Vertrauten zu verlieren. Und damit würde sich die Isolation der Karibikinsel nur noch weiter verschärfen.

Antje Bauer