: Gericht: Giftgas-Transport ist „eher rechtmäßig“
■ Bremer Grüne klagt bislang erfolglos gegen Granaten-Transport / Bürgeraktion fordert Unterstützung von Sakuth
„Es hat mich fast vom Stuhl gerissen, als ich begriffen habe, welches Schindluder da mit unserer Sicherheit getrieben wird.“ Anni Ahrens ist nicht nur Bürgerschaftabgeordnete der Bremer Grünen. Anni Ahrens wohnt auch 800 Meter von der Bahnlinie entfernt,
auf der irgendwann in den nächsten Wochen 14 Güterzüge mit hochgiftiger Ladung entlangrattern sollen. 400 Tonnen Nervengift, Typenbezeichnungen VX und Sarin, will die US -Army direkt vor Ahrens Haustür Richtung Bremerhaven und dann weiter zur
Verbrennung auf die Südpazifik-Insel „Johnston Atoll“ transportieren.
Insofern geht es Anni Ahrens wie Tausenden anderer BremerInnen längs der Bahnstrecke Miesau/Pfalz (dort soll der Transport an einem noch geheim gehaltenen Zeitpunkt losgehen) - Bremen - Nordenham. Was Anni Ahrens von Tausenden unterscheidet: Ahrens gehört zu 12 KlägerInnen aus dem ganzen Bundesgebiet, die der Bundesregierung, der US -Army und der deutschen Bundesbahn jetzt durch Gerichtsurteil verbieten lassen wollten, „unser Leben fahrlässig aufs Spiel zu setzen.“ Bislang erfolglos: Nach „summarischer Prüfung“ und „bei der in der Kürze zur Verfügung stehenden Zeit“ gelangte das Gericht zu der Auffassung: Zwar lasse sich „die Möglichkeit eines künftigen Schadensereignisses nicht mit letzter Gewißheit ausschließen“, dennoch spreche „mehr für die Rechtmäßigkeit der Ausnahmeregelung als dagegen.“
Besagte Ausnahmeregelung von Verkehrsminister Friedrich Zimmermann ist die entscheidende Rechtsgrundlage, mit die Bundersregierung der Deutschen Bundesbahn am 5. Juli endgültig grünes Licht für den Giftgastransport ab Miesau via Bremen Richtung Nordenham erteilte. Um Transportgegnern den Gerichtsweg möglichst zu verbauen, setzte Zimmermann Ende letzter Woche noch eins drauf: Am 19. Juli verkündete er: Die Ausnahmegenehmigung ist sofort vollziehbar. Auch dagegen hatten die Richter bei ihrem Urteil einen Tag später nichts einzuwenden.
In einem dritten Punkt fühlten sie sich überhaupt nicht zuständig: Die ersten 40 Kilometer Transportstrecke, auf der die Amerikaner den Transport mit eigenen Militär-LKWs übernehmen wollen, seien „der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen“.
Peter Ullrich, Giftmüllexperte der Bremer Grünen, zeigte sich gestern genauso betroffen durch das Urteil wie die Klägerin selbst: „Die Richter haben entschieden, ohne sich selbst ausreichend über die Sicherheitsrisiken informieren zu können. Sie haben den Sicherheitsexperten von Verteidigungsminister Stoltenberg abkaufen müssen, daß alles so sicher wie möglich ist und damit einen
Transport ermöglicht, der sonst unter keinen Umständen möglich wäre: Schon wenn es sich bei dem Giftgas nicht um militärische Waffen, sondern um ganz normalen Sondermüll handeln würde, wäre der Transport ausgeschlossen.“
Was Ullrich doppelt ärgert: „In der Bundesrepublik läuft die ganze Debatte unter dem Motto 'Aus den Augen, aus dem Sinn - nach uns die Sintflut‘. Selbst wenn das Giftgas heil aus der Bundesrepublik herauskommt, wie heil die Gegend bleibt, wo es hinkommt, interessiert hier niemanden.“ Die Verbrennung ist für Ullrich jedenfalls keine Lösung: „Es bleiben Schlacken, Fil
terstäube, Abgase, deren Gefahrenpotential niemand abschätzen kann.“
Anni Ahrens will mit ihrer Klage jetzt in die zweite Instanz gehen. Gemeinsame Hoffnung von Ahrens, Ullrich und den weiteren Mitgliedern der neugegründeten „Bremer Aktionsgemeinschaft Giftgastransport“: Wenn Bremens Innensenator Sakuth ebenfalls eine Klage anstrengen würde, wären die Erfolgsaussichten sicher größer“. Die Chancen dafür, sind sich die Giftgas-Transport-Gegner einig, stehen schlecht. Ihre Konsquenz: „Es wird Zeit für eine härtere Gangart gegenüber dem Senat.“ (siehe auch S.21)
K.S.
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